Montag, 27. Dezember 2010

Peter Gaymann: Weinlese

Sehr netter Happen zwischendurch.
Herr Gaymann versteht es, seine Leser mit bezaubernden Karikaturen voller Hintersinn zum Schmunzeln zu bringen. Ein Buch, welches man gerne auch mehrfach durchblättert.

Samstag, 18. Dezember 2010

Hubert Bär: Der Heidelberger Tunnel-Mord

Carsten Mildner möchte sich als Privatdetektiv selbständig machen. Gleich in seinem ersten Fall geht es um die Ermordung des städtischen Bauamtsleiters. Bei seinen Nachforschungen stieg er schnell auf radikale Gegner eines Großbauprojektes, welches der hohe Beamte leitete. Aber auch dubiose Zockerkreise sind in den Fall verwickelt. Bald verstrickt er sich gefährlich tief in diesem Milieu. Dass die schöne Witwe des Ermordeten ihm schöne Augen macht, erleichtert ihm die Trennung von Beruf und Privatleben auch nicht gerade.
Ein spannender Kriminalroman, sprachlich ausgefeilt und routiniert geschrieben.
Lesen!

Sonntag, 28. November 2010

Marlene Bach: Ab in die Hölle

Ein junger Finanzberater wird ermordet in seinem Büro aufgefunden - mit sauber durchgeschnittener Kehle. Maria Moser ermittelt zunächst unter seine Kundschaft. An viele Frauen hat sich der smarte Schönling herangemacht, und ihnen oft unnötige Versicherungen und Geldanlagen aufgeschwatzt. So füllte er sich mit der Zeit den Geldbeutel, und machte sich auch nicht wenige Feinde. Aber es kommt ganz anders in diesem teuflisch spannenden Kriminalfall, und bald sind die Hauptkommissarin und ihr Assistent Alsberger tief verstrickt in den Wahnsinn und die Intrigen des Täters.

Ein spannendes Buch, das auch die Innenwelten, die Nöte und Ängste der Ermittler nicht außer Acht lässt. So werden nicht nur ihre Handlungen nachvollziehbar und glaubhaft, diese Innenwelten sind es, die die Handlung wesentlich beeinflussen und voran treiben.

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Samstag, 13. November 2010

Bastian Sick: Happy Aua

Der Autor der "Zwiebelfisch"-Kolumne auf Spiegel Online hat mal wieder Irrungen und Wirrungen der deutschen Sprache zusammen getragen. Dieses mal veröffentlicht und kommentiert er Fotos von Sprachverunstaltungen, die ihm seine Leser zugeschickt haben. Sehr unterhaltsam, hält allerdings nicht lange vor: Man verschlingt es an einem Stück ohne zu kauen.
Vorsicht Suchtgefahr: Wer einmal die kritische Bastian-Sick-Sichtweise verinnerlicht hat, der zuckt in Zukunft bei jedem Deppen-Apostroph zusammen, schreit bei jedem dreifach-Ausrufezeichen laut auf und wird auch das falsche Plural-S als Qual empfinden.



Donnerstag, 11. November 2010

Heinrich Steinfest: Batmans Schönheit

Markus Cheng, der einarmige Wiener Ruheständler chinesischer Abstammung, hat mit seinem früheren Leben abgeschlossen. Er erfreut sich zusammen mit seiner Frau und seiner Stieftochter eines beschaulichen Lebens. Doch als die Donaumetropole durch eine äußerst merkwürdige Mordserie erschüttert wird, wird auch Cheng wieder hineingezogen in die Erforschung von Verbrechen. Der Jäger erwacht, und bald ergeben sich erstaunliche Parallelen mit der Zeitlinie einer Beute. Nur Batman sitzt in seiner Höhle und bekommt wieder einmal nichts von alledem mit.

Der Untertitel "Chengs letzter Fall" lässt ein schlimmes Ende erahnen. Doch auch in diesem Roman von Herrn Steinfest kommt es alles ganz anders. In geschliffener, tiefgründiger und fast poetischer Weise erzählt er eine spannende Geschichte, in der es vor seltsamen Einfällen nur so wimmelt. Sprachlich ist das Werk ein Leckerbissen, und spätestens in dem Augenblick, da die Romanfigur beginnt mit ihrem Erfinder zu hadern, muss man das Buch einfach lieb haben.

Lesen!

Samstag, 30. Oktober 2010

Jens Lossau, Jens Schumacher: Entitäten

Der Untertitel "13 unangenehme Erzählungen" verspricht genau das, was das Buch hält. Auf über 200 Seiten finden sich hier haarsträubend gruselige Kurzgeschichten aus der Frühzeit des gemeinsamen Schaffens der beiden Autoren. Abgerundet wird der Lesespaß dadurch, dass man immer wieder auf skizzenhafte Entwürfe von Figuren und Handlungsmustern stößt, die einem aus den aktuellen Romanen vertraut erscheinen.
Lesen!

Montag, 18. Oktober 2010

Jens Lossau, Jens Schumacher: Der Orksammler

Meister Hippolit, stolze einhundertsieben Jahre alter promovierter Thaumaturg der neunten Stufe und seit einem verunglückten Verjüngungsritual gefangen im Körper eines unreifen Knaben, und sein rauf- und trink- und sowieso-lustiger Troll-Assistent Jorge (genannt "der Erwischer"), ermitteln in einer mehr als seltsamen Mordserie. Aus einem Heerlager verschwinden auf mysteriöse Weise Ork-Soldaten. Niemand hat etwas gesehen, oder wenn jemand etwas gesehen hat, sind die Zeugenaussagen unglaubwürdig und wirr. Wenn die Leichen der Soldaten überhaupt wieder auftauchen, dann fehlt ihnen das Herz.
Die Nachforschungen führen schon bald nach Torrlem, der berüchtigten Grabstadt, in der seit Jahrhunderten alle Verstorbenen des Landes Sdoom verbrannt werden. Dort kommen sie einem grauenhaften Geheimnis auf die Spur.

Jens Lossau und Jens Schumacher begeistern mich auch im zweiten Teil ihrer Phantasy-Krimireihe. Die Handlung ist innerhalb des Szenarios glaubwürdig und stimmig, der Krimiplot interessant und die Ermittlungen sind logisch und regen zum Mitknobeln an. Wiederum kein Kinderbuch, aber sehr empfehlenswert.

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Samstag, 9. Oktober 2010

Marlene Bach: Kurpfälzer Intrige

In einem alten Heidelberger Steinbruch wird eine junge Frau ermordet aufgefunden. Da die Ermordete zu Lebzeiten eine äußerst attraktive Dame war, nennt sich die unter Hauptkommissarin Moser und ihrem Assistenten Alsberger ermittelnde SoKo treffend "Schneewittchen". Zwischen Alsberger und Mosers Tochter Vera gibt es Krach, private Sorgen und Nöte überschatten so die Ermittlungsarbeit. Und dann tritt auch noch eine bösartiges altes Weib auf den Plan, ein richtiger Giftzahn wie es scheint.

Auch in diesem Roman erzählt Frau Bach nicht nur die Geschichte eines spannenden Kriminalfalls. Sie versteht es, ihren Protagonisten Leben einzuhauchen, sie menschlich greifbar und verständlich zu machen.

Ein tolles Buch!

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Samstag, 2. Oktober 2010

Daniela Matijević: Mit der Hölle hätte ich leben können

Im Herbst 1996 beginnt Daniela Matijević einen Kariere als Sanitäterin bei der Bundeswehr. Um ihre Chancen auf ein Medizinstudium zu erhöhen, verpflichtet sie sich für vier Jahre. Es kommt wie es kommen musste: Sie wird wenige Monate vor Ablauf ihrer Dienstzeit in den Kosovo versetzt, wo ein von Kriegsverbrechen und Völkermord geprägter Konflikt tobt. Was sie dort erleben muss verändert ihr Leben. Zurück in Deutschland, ausgebrannt und traumatisiert, ist sie nicht mehr in der Lage, sich in den Alltag zu integrieren. Dass ihr in deutschen Behörden niemand helfen will oder kann, ist für sie eine ebenso entsetzliche wie demütigende Erfahrung.

Dieses Buch erzählt nicht nur eine tragische Lebensgeschichte. Es ist auch ein flammender Appell für die Professionalisierung des Soldatenberufes und des Umgangs mit Veteranen. Soldaten in Kampfeinsätzen benötigen nicht nur eine solide Ausbildung für ihr Handwerkszeug, sie bedürfen auch der psychologischen Unterstützung und seelischer Nachsorge. So wie Frau Matijević werden jedes Jahr circa 7000 deutsche Soldaten in Krisengebiete im Ausland geschickt. Viele von ihnen kommen schwer traumatisiert zurück und finden sich im Zivilleben nicht mehr zurecht. Ohne Anerkennung als Veteranen und entsprechend professionelle psychologische Unterstützung laufen wir Gefahr, diese Menschen als Mitglieder unserer Gesellschaft für immer zu verlieren. Und das haben sie nicht verdient!

Dienstag, 21. September 2010

Akif Pirinçci: Felipolis

Francis, der samtpfotige Klugscheißer, ist wieder da. Inzwischen in Würde ergraut erfreut er sich seines Lebens und räkelt sich dösend im Sommersonnenschein. Durch seinen Freund und alten Kampfgefährten Blaubart erfährt er von einer spitzohrigen Milliardenerbin, der nun alle nach dem Leben trachten, die Erbschaft streitig machen wollen oder beides. Bald erwachen bei ihm Spürnase und Beschützerinstinkt. Er merkt: hier ist etwas faul.

1989 veröffentlichte Akif Pirinçci mit Felidae den ersten Roman aus seinem Katzenparalleluniversum der Bonner Hinterhöfe und -gärten. Das Buch war seinerzeit ein voller Erfolg. Dennoch ließ sich Herr Pirinçci nicht dazu verleiten, durch schnelles Nachlegen von Fortsetzungen den Markt mit Felidae-Romanen zu überschwemmen. Im Gegenteil. In diesem Zyklus sind bisher erst sieben Bücher erschienen. Im Schnitt also alle drei Jahre eines. Ich halte das für eine weise Entscheidung. Die Geschichten um Francis und seine Freunde sind glänzend recherchiert, aussergewöhnlich gut durchdacht, sprachlich ausgefeilt und spannend bis zum Nächte Durchlesen. Durch den Kunstgriff, die von bizarren Einfällen nur so strotzenden Plots in die Fabelwelt der sprechenden Schnurrhaarigen zu verlegen wirken seine Geschichten nur noch (klingt komisch, ist aber so) glaubwürdiger.

Ein tolles Buch. Nicht unbedingt kindertauglich, aber toll! Alle verfügbaren Daumen nach oben und mindestens fünf Sterne.

Lesen!

Sonntag, 12. September 2010

Marlene Bach: Elenas Schweigen

Hauptkommissarin Maria Moser ist mit ihrem Leben nicht zufrieden. Von ihrem Mann mit Mitte Fünfzig sitzen gelassen lässt sie sich privat immer mehr gehen. Sie trauert der Liebe und der verschwundenen Jugend nach, geht nicht mehr aus, vereinsamt. Ihre ganze Kraft steckt sie in ihren Beruf, doch auch hier läuft nicht alles in ihrem Sinne. Ein junger, ehrgeiziger Schönling wird ihr als Assistent zugewiesen. Und Roland Alsberger ist ein guter Polizist. So gut, dass sie ihn schon auf der Karriereüberholspur an sich vorbeiziehen sieht. Beide sollen zusammen einen komplizierten Mordfall lösen. In einem verwilderten Garten wurde die skelettierte Leiche eines jungen Mannes entdeckt, dem man offensichtlich den Schädel eingeschlagen hat. Ihre Nachforschungen führen das ungleiche Ermittlerteam in ein psychiatrisches Krankenhaus, wo die ehemalige Freundin des Ermordeten seit seinem Verschwinden ein zurückgezogenes und schweigsames Leben führt.

In einem Krimi geht es um das Lösen eines Kriminalfalles. Wenn dieser dann noch sehr verzwickt ist und trotzdem in überzeugender Weise entwirrt wird - um so besser! In diesem Buch gibt es aber noch eine andere Ebene, die mich beim Lesen sehr interessiert hat. Auf dieser Ebene geht es um den Umgang mit dem Älterwerden und um Beziehungen zwischen Menschen verschiedenen Alters. Dass die Innenwelten der Hauptfigur in dem Roman einen so breiten Raum einnehmen, macht ihre Handlungen und ihre Fehler erst verständlich und nachvollziehbar.

Ein tolles und spannendes Buch.

Lesen!

Sonntag, 5. September 2010

Bernd Franzinger: Zehnkampf

Eine spektakuläre Mordserie erschüttert die Pfalz: Aus dem Hinterhalt und aus großer Entfernung werden Sportler aller Altersgruppen durch erschreckend präzise Herzschüsse geradezu hingerichtet. Kommissar Tannenberg hat nicht ohne Grund Angst, dass sich mal wieder ein wahnsinniger Serienkiller auf seine Familie einschießt. Doch bald erhält er unerwartete Hilfe.

Psychologisch einfühlsam erzählt und spannend bis zur letzten Seite ist das neueste Werk von Bernd Franzinger. Für mich das Beste, was ich bisher aus Kaiserslautern gelesen habe.

Lesen!

Samstag, 4. September 2010

Jens Lossau, Jens Schumacher: Die Menschenscheuche

In einem idyllischen Fremdenverkehrsort in den österreichischen Alpen werden Menschen auf entsetzliche Art und Weise ermordet: Sie werden bei lebendigem Leib in jeweils etwa 120 exakt gleich große Würfel geschnitten. Bald geistert eine lokale Legende durch die Gerüchte. Ein schneemenschartiges Wesen, genannt die Menschenscheuche, wurde immer dann gesehen, wenn kurz danach wieder eines der Mordopfer gefunden wurde. Die BKA-Sonderermittler Passfeller und Grosch ermitteln in einem grenzüberschreitenden Einsatz. Doch dieses mal haben sie Verstärkung mitgebracht.

Routiniert und abwechslungsreich erzählt, humorvoll, mit einer gehörigen Portion Augenzwinkern und doch spannend ist dieser Kriminalroman des Autorenteams Lossau/Schumacher. Ein Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Lesen!

Donnerstag, 26. August 2010

Maria Elia: Die neue vegetarische Küche

Maria Elia, britische Spitzenköchin griechisch-zypriotischer Abstammung, ist der Meinung, dass Vegetarier in Restaurants oft sträflich vernachlässigt und ihre Gaumen zu Tode gelangweilt werden. Wenn auch auf den Speisekarten der gehobenen Gastronomie nur ein oder zwei vegetarische Gerichte zu finden sind, so kann von ausgewogener und gesunder Ernährung wohl kaum die Rede sein. Sie will mit ihrem Buch Vegetariern und nicht-Vegetariern Anregungen vermitteln, in Zukunft abwechslungsreich und schmackhaft mehr fleischlose Gerichte zu kochen und zu genießen. Da ich selbst schon seit Jahrzehnten auf den Verzehr von Säugetieren und Vögeln verzichte, freut mich diese Absicht natürlich.

Natürlich LESE ich kein Kochbuch. Ich blättere darin, koche hin und wieder das eine oder andere Rezept nach und erfreue mich an den Bildern. Nach einer ersten Durchsicht dieses Buches, welches ich heute spontan bei meinem Bücherdealer abgegriffen habe, kann ich behaupten, dass Frau Elia ihren leckeren Vorsatz wirklich gekonnt in die Tat umgesetzt hat. Abgerundet wird dieses schöne und intelligent gegliederte Buch durch ansprechende und appetitanregende Fotos von Jonathan Gregson.

Dienstag, 17. August 2010

Jens Lossau, Jens Schumacher: Der Luzifer-Plan

Der Patient einer Nervenklinik behauptet nicht nur, der Leibhaftige zu sein, es spielen sich rund um ihn auch derart merkwürdige Dinge ab, dass die Sonderermittler Grosch und Passfeller erhebliche Mühen auf sich nehmen müssen, um für diese Vorgänge eine plausible Erklärung zu finden. Das Klinikpersonal behindert auffällig verstockt die Ermittlungen der Kommissare und auch sonst geht es nicht mit rechten Dingen zu in dieser Geschichte.

Um es kurz zu machen: Spannend bis zur letzten Seite, das Ende ist durchaus überraschend.

Lesen!

Freitag, 13. August 2010

Jens Lossau, Jens Schumacher: Der Elbenschlächter

Das Institut für angewandte investigative Thaumaturgie (IAIT) schickt seine besten Agenten ins Rennen, denn ein grausamer Mörder treibt in den dunklen Gassen des Vergnügungsviertels von Nophelet sein Unwesen. Dieser beraubt elbische Lustknaben auf magische Weise ihres Blutes und ihres Geschlechts. Das ungleiche Ermittlerduo besteht aus dem greisen Magier Hippolit, der seit einem Unfall im Körper eines dreizehnjährigen Jungen gefangen ist und seinem Assistenten Jorge, einem ziemlich schlagkräftigen und ziemlich versoffenen Troll. Ihre Ermittlungen führen sie schon bald in die besseren Kreise der Stadt, wo mit Hilfe einer neuartigen Droge ekstatische Orgien gefeiert werden.

Hätte Terry Pratchett ein Drehbuch aus einem seiner Scheibenwelt-Romane erstellt und hätte Quentin Tarantino dieses dann verfilmt, dann wäre vermutlich ein Spielfilm heraus gekommen, der dem in meinem Kopf soeben zuende gegangenen Streifen nicht unähnlich wäre. Ein toller Lesespaß: actionreich, humorvoll und spannend bis zur allerletzten Zeile. Ich freue mich schon auf den nächsten Roman aus dieser Reihe, der vermutlich im Oktober erscheinen wird.

Alle verfügbaren Daumen nach oben und so viele Sterne, wie möglich.

Montag, 9. August 2010

Jens Harder: Leviathan

Das mythische Meeresungeheuer war schon immer da und wird immer sein. Es wird bekämft durch den Menschen und durch andere Kreaturen und es schlägt zurück. Es ist Teil des ewigen Nahrungskreislaufes und als solcher wird es nach seinem Tod wieder auferstehen.

Die von Jens Harder gezeichnete Geschichte gehört mit zu den ungewöhnlichsten Comics, die ich jemals gesehen habe. (Fast) ganz ohne Worte kommt er aus, Sprechblasen gibt es keine. Die Zeichnungen wirken schlicht, und doch ist das Werk opulent. Man möchte es nicht aus der Hand legen.

Jens Lossau, Jens Schumacher: Der Schädeltypograph

Passfeller und Grosch, Sonderermittler des BKA, stehen mal wieder vor einem Rätsel: Auf dem Mainzer Zentralfriedhof wurde ein halbes Dutzend 100 Jahre alter Leichen ausgegraben und makaber drapiert, eine davon ohne Kopf. Zu allem Überfluss finden sich in der Stadt Gutenbergs auch noch Nacht für Nacht auf bizarre Art ermordete Studenten: Ihnen wurden bei lebendigem Leib mit antiken Bleisatzlettern lateinische Worte in den Schädel gehämmert. Alle Toten haben eines gemeinsam: sie waren zum Zeitpunkt des Ablebens exakt 23 Jahre alt. Das riecht nach einem rituellen Hintergrund.

Professionell und spannend erzählt, die Polizei wird auch nicht mehr so übertrieben durch den Kakao gezogen. Kurz: ein tolles Buch, das ich jedem erwachsenen Krimifan uneingeschränkt empfehlen kann.

Lesen!

Dienstag, 3. August 2010

Jens Lossau, Jens Schumacher: Der Rebenwolf

In einem kleinen Dorf in den Hügeln zwischen Neustadt und Landau findet ein Liebespaar die grausam zerfetzte Leiche einer jungen Frau. Tillmann Grosch und Frank Passfeller, die beiden Sonderermittler des BKA, entdecken bald eine auffällige Parallele zu einem nie aufgeklärten mysteriösen Mordfall des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Auch damals zerfetzte ein von der Bevölkerung "Rebenwolf" getaufter Serienmörder seine Opfer in charakteristischer Weise. Es ist fast so, als sei der Rebenwolf wieder auferstanden. Die Dorfbewohner sind zunächst verschlossen, doch bald verwirren Gerüchte und die lokalen Polizeikräfte schalten sich ein.

Für eine Kriminalkomödie ist der Mord eigentlich zu grausam, die Spannung zu groß und die Protagonisten psychologisch zu geschickt aufgebaut. Aber es sind gerade diese komödiantischen Elemente, die aus dem Thriller ein Lesevergnügen machen, das seinesgleichen sucht. Auf jeden Fall: Daumen hoch und fünf, nein, doch lieber nur vier Sterne.

"Warum nur vier?" wird der geneigte Leser jetzt vielleicht fragen. Bevor ich diese Frage beantworte möchte ich kurz auf die Metaebene springen und ein paar Worte in eigener Sache verlieren:

Ich schreibe in diesem Blog keine Verrisse. Um einen Verriss zu schreiben, muss man fairerweise ein Buch vollständig gelesen haben. Aber um ein Buch vollständig zu lesen, welches mir keinen Spaß macht, ist mir meine Zeit einfach zu kostbar. Das klingt arrogant, aber ich bin nun einmal kein professioneller Rezensent, der für seine Arbeit bezahlt wird. Ich lese aus privatem Interesse und zu meinem privaten Vergnügen. Und in meinem Blog schreibe ich ein paar Zeilen über die von mir gelesenen Bücher in der Hoffnung, andere Menschen zum Lesen anzuregen. Also schreibe ich hier ausschließlich über solche Bücher, die mir gefallen haben und die ich guten Gewissens weiterempfehlen kann. Dass mir ein Buch beim Lesen Freude gemacht hat, bedeutet aber nicht, dass ich mit jeder einzelnen Zeile einverstanden bin, dass ich jede Seite darin gut finde. Manchmal entdecke ich auch an Büchern die ich mag Schwächen. Und die werden dann auch genannt. Trotzdem mag ich das Buch, sonst hätte ich es ja nicht zuende gelesen und könnte dann hier auch nicht darüber schreiben.

Zurück von der Metaebe: Warum einen Stern Abzug?

  • Man sagt Neustadter und nicht Neustädter. Und zwar nicht nur in der Pfalz. So steht es im Duden (Band 9: "Richtiges und gutes Deutsch") und auch in jeder Zeitung. Das ist kein wirklich schlimmer Fehler, nervt aber jedesmal, wenn man es liest. Und man liest es oft in diesem Buch. Kann passieren, aber bei zwei Autoren und zwei Lektoren hätte es doch irgendwann einmal auffallen müssen. Zumal der veröffentlichende Agiro-Verlag seinen Sitz in eben diesem Neustadt hat.
  • "Die Brandung des tiefblauen Atlantiks" (S. 40) kann sich am gleichförmig-weißen Strand von Mallorca nicht brechen, hat dies auch nie getan und wird es nie tun. Mallorca und damit der Ballermann, auch das "17. deutsche Bundesland" genannt, liegt im Mittelmeer. Selbst wenn ich die Kontinentalverschiebung berücksichtige wird sich Malle eher zum Hochgebirge auffalten als jemals innerhalb der nächst 120 Millionen Jahre vom Atlantik umtost zu werden. Es sei denn, der Meeresspiegel steigt um mindestens 200 Meter und das Mittelmeer wird so zu einem Nebenmeer des Atlantiks. Sicher wurden da einfach die Ferienparadiese Balearen und Kanaren verwechselt, auch das kann beim Schreiben im Eifer des Gefechts vorkommen. Aber irgendwann hätte es einem der Autoren oder einem der Lektoren auffallen können. Nicht wirklich schlimm, aber:
  • In dem hier vorgestellten Buch gibt es starke komödiantische Elemente. Ich nenne es deshalb erst einmal eine Actionkomödie. Actionkomödien kennen wir zum Beispiel aus dem amerikanischen Kino, aber auch in einigen Tatort-Drehbüchern schleicht sich immer wieder ein Eulenspiegel-Augenzwinkern ein. Sie funktionieren besonders gut, das wissen wir spätestens seit "Last Action-Hero", wenn in ihnen ein Element namens "Komödientrottel" auftaucht. Sozusagen der dumme August, der durch seine Tollpatschigkeit den Helden noch strahlender und noch heldenhafter erscheinen lässt. In diesem Roman gibt es eine Menge Komödientrottel. Genau betrachtet treten hier sämtliche Beamte der Neustadter Polizeiinspektion als schlagstockschwingende, wichtigtuerische Dumpfbatze auf, ganz so, als seien die Polizistenkarikaturen aus Gerhard Seyfrieds Büchlein "Freakadellen und Bulletten" von 1979 zu neuem Leben erwacht. Ich finde dieses Klischee nicht mehr zeitgemäß. Ich hatte vielfach die Gelegenheit, Polizisten kennen zu lernen, auch solche aus Neustadt. Und zwar sowohl auf privater wie auf beruflicher Ebene. Ich kann den Autoren versichern, dass die von Ihnen gezeichnete Charakterisierung mit der Realität nichts zu tun hat. Sie taugen deshalb nicht einmal als Karikaturen, denn diese überzeichnen bekanntlich Realität, und haben somit immer noch etwas mit Realität zu tun. Polizisten von heute sind erstklassig ausgebildet, hochprofessionell und werden dafür leider viel zu schlecht bezahlt. Sie halten jeden Tag buchstäblich für uns den Kopf hin, und ich finde, dass sie es einfach nicht verdient haben, derart pauschal der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Auch nicht in einer Actionkomödie.

Also einen Stern Abzug, aber das ist sicher auch Geschmacksache.

Freitag, 30. Juli 2010

Joachim Körber (Hrsg.): Das Morden ist des Winzers Lust (Pfälzer Kriminalgeschichten)

Ich will nicht viele Worte verlieren: Was die sieben renommierten Autoren hier in Form von Kurzgeschichten zusammenschreiben ist äußerst kurzweilig und unterhaltsam. Daumen hoch und fünf Sterne.

Eine Frage muss ich als Geographielehrer aber doch in den Raum stellen: Ist eine Geschichte gleich eine "Pfälzer Kriminalgeschichte", nur weil ein Neustadter drin vorkommt, auch wenn die Geschichte selbst in der Eifel spielt?

Dienstag, 20. Juli 2010

Arnaldur Indriđason: Nordermoor

Erlendur ist ratlos. Im Reykjavíker Stadtteil Nordermoor wurde ein alter Mann ermordet aufgefunden - mit einem schweren Aschenbecher erschlagen. Was zunächst aussieht wie ein typisch isländischer Mord - schlampig ausgeführt, schäbig und sinnlos - erweist sich bald kniffliges Verwirrspiel. Kommissar Erlendur stößt zunächst auf eine Mauer aus Schweigen, doch dann deckt er nach und nach eine Tragödie auf, ein grausames Familiendrama, dessen Anfänge Jahrzehnte zurück liegen.

Was soll man von einem 260 000 Köpfe zählenden Volk halten, das hartnäckig an einem Alphabet mit 32 Buchstaben festhält und dem Nachnamen so bedeutungslos sind, dass das Isländische Telefonbuch nach Vornamen sortiert ist? Was sind das für Menschen, die in den langen Wintern viel lesen und die Volkshochschulkurse in Ahnenforschung belegen? Einen kleinen Einblick in Antworten auf diese Fragen gibt uns Arnaldur (dessen Nachnamen ich jetzt konsequent weglasse) in seinem fesselnden Roman. Er zeichnet gebrochene Charaktere, die ein hartes Schicksal hinter sich und ein noch härteres vor sich haben. Dass er dabei den spannenden Kriminalfall nicht aus den Augen verliert ist selbstverständlich. Aber als dieser schließlich gelöst ist, ist Erlendur auch nicht schlauer als vorher.

Unbedingt lesen!

Sonntag, 11. Juli 2010

Jaques Berndorf: Der Kurier

Ein junger, aufstrebender Diplomat verschwindet in Berlin. Mit ihm verschwinden zehn Millionen Dollar und ein halber Zentner reines Kokain.
Der Journalist Jobst Grau durchlebt gerade eine private Krise, so ist er froh, bei der Suche nach dem Kurier für eine Weile seinem Alltag zu entfliehen. Schnell taucht er ein in einen Sumpf von gegenseitigen Abhängigkeiten, Bestechung und Bestechlichkeit, Gewalt und Bandenkriegen.

Der vielen Eifelkrimis des Herrn Berndorf war ich eines Tages überdrüssig geworden. So gerne ich sie auch gelesen hatte (und zwar alle), so sehr nervten mich irgendwann die relativ durchschaubaren Handlungsmuster und die Protagonisten, die mir schließlich so vertraut schienen, dass ich ihre Handlungen vorhersagen konnte. Als ich irgendwann eine Seite im Voraus wusste, dass Baumeister jetzt wieder seine obligatorische Abreibung bekommt, war ich froh zu sehen, dass Berndorf auch noch andere Krimis schreibt. Mit "Die Raffkes" und zwei Agentenkrimis der Extraklasse hat er bewiesen, dass er auch noch andere Charaktere erfinden kann als Siggi Baumeister und seine Freunde aus der Eifel und dass er sich erzählerisch in der Großstadt ebenso sicher bewegen kann, wie auf dem Land.

So kam mir diese Neuauflage eines 1996 noch unter dem Autorennamen Michael Preute veröffentlichten Romans gerade recht. Um es nach langer Vorrede kurz zu machen: Ein spannender und vielschichtiger Roman, den ich in wenigen Tagen verschlungen habe. Hier schreibt ein absoluter Profi! Wer Spaß an actiongeladenen Krimis mit immer neuen, überraschenden Wendungen hat, der sollte dieses Buch unbedingt lesen.

Montag, 5. Juli 2010

Bernhard Jaumann: Die Stunde des Schakals

Kurz nacheinander werden mehrere Männer regelrecht hingerichtet, die mit dem vermutlich spektakulärsten politischen Mord der jüngeren Geschichte Namibias in Verbindung stehen. Dem Täter, einem vermutlich todkranken Mann, auf der Spur ist eine junge Polizistin, die ihn quer durch Namibia, Botswana und Südafrika verfolgt, seiner aber nie rechtzeitig habhaft werden kann. Doch es gibt ja noch Hintermänner...

Wenn im Jahr der Fußballweltmeisterschaft ein Kriminalroman auf den Markt kommt, der ausgerechnet im südlichen Afrika spielt, dann liegt der Verdacht nahe, dass hier versucht wurde, auf der Bugwelle eines Sportereignisses reitend einem Buch höhere Verkaufszahlen zu bescheren. Dies möchte man Herrn Jaumann jedoch nicht unterstellen. Der Weltenbummler lebt zur Zeit in Windhuk/Namibia. Nur so ist zu erklären, dass er Land und Leute so genau kennt, dass er die Verletzungen und Empfindlichkeiten, welche durch das Apartheidsregime bzw. dessen Ende entstanden sind aus verschiedenen Perspektiven so glaubhaft darstellen kann. Dass er in seinen spannenden Krimi auch noch liebevolle Charakterstudien einbettet, versteht sich fast von selbst.

Lesen!

Samstag, 19. Juni 2010

Burkhard Ziebolz: Riesen und Zwerge

Der Biologe Thorsten Gröning stößt während der Arbeiten zu seiner Dissertation auf einen sensationellen Wachstumsfaktor, mit dem sich zelluläre Prozesse unglaublich beschleunigen lassen. Der junge Forscher ahnt, dass sich mit der Anwendung dieses Stoffes eine Menge Geld verdienen lässt. Aber er ist leider nicht der einzige, der das Potential dieser Substanz erkennt. Bald wird sein Laborjournal mit wertvollen Aufzeichnungen entwendet und in seinem Umfeld sterben Kollegen. Die Polizei schaltet sich ein, und Gröning beschließt, erst einmal unterzutauchen.

Burkard Ziebolz ist selbst Promovierter Biologe, deshalb kennt er den intriganten Wissenschaftsbetrieb aus eigenem Erleben. Ohne den Leser fachlich zu überfordern lässt er sein Wissen in die Geschichte einfließen und erzählt einen spannenden Kriminalfall, der bis zum Schluss Überraschungen für uns bereit hält. Ein lesenswertes Buch!

Samstag, 12. Juni 2010

Burkhard Ziebolz: Orpheus Stufen

Wilhelm Ringelnatz, ein kurz vor der Pensionierung stehender Versicherungsdetektiv, wird mit der Suche nach einem wertvollen, aus einer Bibliothek verschwundenen Buch beauftragt. Im Zusammenhang mit diesem Fall lernt er Felix kennen, einen schweigsamen jungen Mann aus bestem Hause. Warum dieser so schweigsam ist, ist eines der vielen Geheimnisse, welche im Verlauf der Handlung enthüllt werden. Sie freunden sich an und ermitteln gemeinsam - ein ungleiches Paar. Bald merken sie, dass es um mehr geht, als um ein historischen Buch. Um weit mehr!

Eine spannend aufgebaute Kriminalgeschichte mit schlüssig und interessant durchkonstruierten Protagonisten. Ein rundum empfehlenswertes Buch das leider nur noch antiquarisch zu erhalten ist.

Samstag, 5. Juni 2010

Lilo Beil: Heute kein Spaziergang

Darf eine Kriminalgeschichte auch lustig sein? Gibt es Krimis ohne Leiche? Solche ohne Schuld? Nach der Lektüre dieses Buches mit über 40 Kurzgeschichten kann ich diese Fragen uneingeschränkt mit ja beantworten. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - sorgt dieses empfehlenswerte Buch für spannendes und kurzweiliges Lesevergnügen.

Sonntag, 23. Mai 2010

Lilo Beil: Maikäfersommer

Die fünfziger und frühen sechziger Jahre galten später als Gipfel vergangenheitsverdrängender Spießigkeit. Darin liegt sicher eine Menge Wahrheit. Aber das ist nur ein Aspekt des Zeitgeistes. Eine andere Facette wird in diesem Buch deutlich, in dem Frau Beil in siebenundzwanzig Kurzgeschichten ihre Kindheitserinnerungen lebendig werden lässt: In den Fünfzigern konnten Kinder noch auf der Straße spielen und es wurde auch noch gespielt und nicht ferngesehen. Landschaften waren noch nicht völlig verbaut und zersiedelt, es gab noch Fantasie und auch kleine Geschenke waren etwas Besonderes auf das sich ein Kind monatelang freuen konnte. Kinder lasen noch Bücher - freiwillig - und es gab noch Maikäfer.

Ein wunderschönes und poetisches kleines Buch. Man kann es Kindern vorlesen oder sich selbst daran erfreuen, beides ist möglich. Schade, dass es nur noch antiquarisch zu erstehen ist.

Mittwoch, 19. Mai 2010

Lilo Beil, Walter Landin, Wolfgang Ohler: mörderische Pfalz

"Die Pfalz (...), sollte sie wirklich so mörderisch sein?" fragt Heinz Georg Bamberger, Staatsminister der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz, in seinem Vorwort. Er beantwortet diese Frage mit nein. Ich denke: Wenn man die lange Zeitspanne betrachtet, die die drei Autoren mit ihren zwanzig Kurzgeschichten abdecken, dann würde es mich wundern, wenn nicht noch mehr Verbrechen geschehen wären, in diesem idyllischen und von der Sonne verwöhnten Landstrich. So bizarr, ja grausam und teilweise kafkaesk wie in diesem Buch ist die Wirklichkeit dann aber hoffentlich doch nicht. Theodor Fontane und Edgar Allan Poe hätten ihre Freude an diesen Erzählungen.

Eindeutiges Urteil: Daumen hoch, fünf Sterne, unbedingt lesen!

Mittwoch, 12. Mai 2010

Lilo Beil: Schattenzeit Geschichten

Dieses kleine Bändchen enthält neunzehn Kurzgeschichten, die im Zusammenhang mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte stehen. Erzählt wird aus der Perspektive von Kindern bzw. in Form von Kindheitserinnerungen: Schulkameradinnen, die plötzlich verschwinden, Ladengeschäfte, in denen man nicht mehr einkaufen darf oder der jüdische Klavierlehrer, der eines Tages mit seiner Frau zusammen in den Freitod geht, um dem Grauen der Lager zu entgehen. Im zweiten Teil finden dann aber auch Geschichten von Annäherung und Versöhnung ihren Platz.



Auch wenn ich an anderer Stelle behauptet habe, dass Kurzgeschichten nicht mein Ding sind: Diese sind es definitiv. Ich habe die Schattenzeit-Geschichten während meines inzwischen traditionellen sonntäglichen Frühstücksrituals auf dem Neustadter Marktplatz begonnen. Es war ein sonniger Frühlingsmorgen, die Menschen lächelten, wie sie es in Neustadt nun einmal tun wenn der erste schöne Frühlingstag auf den Marktplatz einlädt. Ich wusste ja noch nicht, welches Buch ich da in den Händen hielt. Ich hatte mit Kriminalgeschichten gerechnet und mit angenehmem Krimigruseln. Schon nach wenigen Seiten war ich aber derart in die beklemmende Stimmung ihrer Geschichten abgetaucht, dass ich vor meinem geistigen Auge die wunderschön restaurierten Häuserfassaden Neustadts mit den historischen Fotos aus den Büchern des Herrn Berzel verglich, die in meinem Kopf gespeichert sind. Da hängt dann über dem Handyladen eben nicht das farbenfrohe Logo eines Funknetzbetreibers, sondern eine Holztafel, auf der in schnörkeligen Buchstaben "Colonialwaren" geschrieben steht. Mir kam es fast so vor, als würde sich meine Umgebung in Sepiatönen einfärben, als reise ich in einer Zeitmaschine.

Wer wie ich in den sechziger Jahren mit einem derart vorbelasteten Vornamen getauft wurde, der setzt sich frühzeitig und intensiv mit der braunen Vergangenheit Deutschlands auseinander. In dieser Beziehung habe ich ein recht frühes Ende der Kindheit hinter mir. Auch wenn das eigentliche Grauen des Völkermordes in ihrem Buch gar nicht direkt thematisiert wird, so weiß ich einfach genug, dass auch Andeutungen und leise Anspielungen ausreichen, um in mir eine bestimmte Saite zum Klingen zu bringen. Als dann noch eine Wandergruppe mit schweren Bergschuhen vorbei ging - wohl nur zufällig im Gleichschritt - hatte ich zu den Bildern im Kopf auch noch die passende Geräuschkulisse. Ich musste das Buch weglegen und habe es später zuhause fertig gelesen.

Ich wünsche diesem tollen Buch noch viele Leser.

Sonntag, 9. Mai 2010

Harald Schneider: Erfindergeist

Alarmstufe rot in Schifferstadt: Das Haus von Reiner Palzkis Freund Jaques Bosco ist in die Luft geflogen, die genetische Analyse der am Ort des Geschehens sichergestellten menschlichen Fetzen lässt nur einen Schluss zu: Jaques ist tot. Palzki lässt es sich trotz seines Urlaubs nicht nehmen, die Ermittlungen selbst in die Hand zu nehmen. Dabei kann er sogar auf das Verständnis seiner Frau Stefanie hoffen, auch sie sah in dem Erfinder einen väterlichen Freund.
Die Nachforschungen führen Palzki in den Holiday Park in Haßloch und zu einem dubiosen Verein in Speyer. Bald gibt es weitere Tote.

Hier rächt es sich, dass ich die Romane des Herrn Schneider nicht in der richtigen Reihenfolge gelesen habe: Ausgerechnet um Jaques Bosco dreht sich die Geschichte, sonst ist der eher eine größere Nebenfigur in den Palzki-Romanen. Deshalb habe ich mir mit meinem Wissen aus dem Roman "Wassergeld" ein Wenig die Spannung verwässert. Aber ich bin ja inzwischen Leseprofi genug, um so etwas zu kompensieren - ich stelle mich einfach doof und lese weiter ;-)

Spannung gibt es reichlich in diesem Buch, das ich mal wieder (fast) in einem Rutsch in mich hineingefressen habe. Der Autor führt uns durch einen Plot, der durchaus James-Bond-Elemente in sich trägt: Geheimdienstler geben sich die Klinke in die Hand, ein "nutty professor" ist auch mit dabei und last but not least kitzelt auch der völlig unfähige Dienststellenleiter immer wieder die Lachmuskeln.

Noch etwas sei gesagt: Wer als nicht-Pfälzer die Palzki-Krimis liest, sollte sich auf jeden Fall vor dem Genuss die Hörbeispiele auf der Webseite des Autors herunterladen und anhören. Das verändert die Wahrnehmung deutlich. Bisher hielt ich die Dialoge immer für etwas "hölzern". Das lag aber nur daran, dass ich sie immer hochdeutsch gedacht habe. Herr Schneider liest seine Geschichten aber mit pfälzischer Dialektfärbung vor. Mit diesem wunderbaren Zungenschlag funktionieren die Dialoge auf einmal, nichts hölzernes oder künstliches haftet ihnen mehr an. Hat man das einmal verstanden, kann man das Buch gar nicht mehr Hochdeutsch lesen.


Unbedingt lesen!

Sonntag, 2. Mai 2010

Lilo Beil: Die Kinder im Brunnen

Lisa Bredow, eine stille und von ihren Schulkameraden wenig geliebte Schülerin der siebten Klasse, verschwindet zunächst, und wird schließlich ermordet in einem Dorfbrunnen aufgefunden. Der erste Verdacht fällt nach dem Auftauchen eines anonymen Flyers auf ihren Kunstlehrer, der jedoch völlig unschuldig ist. Von seinen Kollegen vorverurteilt und angefeindet flüchtet der sich in Krankheit und wird schließlich ebenfalls ermordet. Charlotte Rapp, Lisas Deutschlehrerin, verfügt über vage Informationen, denen sie zunächst auf eigene Faust nachgehen möchte, bevor erneut eine Person unter falschen Tatverdacht gerät. Dieses Vorgehen stellt sich bald als lebensgefährlich heraus.

Der Roman von Lilo Beil erzählt nicht nur einen spannenden Kriminalfall, er klärt auch ohne Umschweife über die wachsende Gewaltbereitschaft, Verrohung und Mobbing unter Jugendlichen auf. Ihre Schilderungen aus dem alltäglichen Horror der Opfer von jugendlicher Gewalt sind nicht ohne Grund so authentisch und glaubwürdig. Frau Beil war selber für Jahrzehnte im Lehrerberuf tätig. Deshalb ist auch ihre Darstellung der verschiedenen Lehrerpersönlichkeiten differenzierter und realistischer als alles was ich in diesem Zusammenhang jemals gelesen habe.

Danke Frau Beil.

Lesen!

Mittwoch, 28. April 2010

Burkhard Ziebolz: Morgensterns Erkenntnis

Eine Ärztin in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses wird auf rätselhafte Weise und grausam vergiftet. Umfangreiche Bewegungen auf ihrem Konto geben bei den Ermittlungen Rätsel auf, und auch der sadistisch anmutende Mord an einem der Pfleger schockiert. Hauptkommissar Fröhlich von der Braunschweiger Kripo blickt immer tiefer in einen widerlichen Abgrund aus illegalen Experimenten und sexueller Perversion.

Herr Ziebolz führt sehr schlüssig durchdachte Charaktere in einem irrwitzigen Plot zusammen. Die Atmosphäre ist beklemmend realistisch. Das möchte niemand in der Realität erleben, solchen Protagonisten möchte man im wirklichen Leben lieber fern bleiben. Und das Schlimme ist: So etwas gibt es in der Wirklichkeit viel, viel häufiger, als einem lieb sein kann. Und genau deshalb sollte man dieses Buch lesen.

Samstag, 17. April 2010

Walter Landin: Mord im Quadrat

Dieses Buch enthält 20 Kurzgeschichten.

Eigentlich mag ich keine Kurzgeschichten. Sie sind so... kurz.

Einen Spannungsbogen in einer Kurzgeschichte aufzubauen ist ein schwieriges Unterfangen. In einem Roman kann man Charaktere entwickeln, mehrere parallele Handlungsfäden spinnen und falsche Spuren legen. In einer Kurzgeschichte geht das alles nicht. Man muss innerhalb von wenigen Seiten eine Punktlandung hinlegen, eine Geschichte pointiert erzählen und im Falle einer Kriminalgeschichte eben auch einen Mordfall überzeugend lösen oder begründet nicht lösen.

Walter Landin gelingt das in diesem Buch in meisterlicher Weise. Teilweise sind die die Geschichten miteinander verflochten, was interessante Perspektivwechsel ermöglicht. Teilweise entwickelt er eben doch Charaktere, wenn er dieselbe Hauptfigur wieder und wieder auftreten lässt. Es hat großen Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen.

Eigentlich mag ich Kurzgeschichten...

;-)

Deshalb lasse ich es mir auch nicht nehmen, an dieser Stelle Werbung für einen Kurzkrimiwettbewerb zu machen, den der Gmeiner-Verlag und der Krimiautor Harald Schneider ausrichten.

Freitag, 9. April 2010

Burkhard Ziebolz: Das geheime Leben des Ettore Majorana

Ettore Majorana war in den 20er und 30er Jahren ein äußerst talentierter junger theoretischer Physiker, der u. A. mit Werner Heisenberg zusammen gearbeitet hat. Im Jahr 1938 vernichtet er an seinem Institut in Neapel alle seine Unterlagen und verschwindet spurlos.
Dieser historisch belegte und sehr rätselhafte Plot wird von Burkhard Ziebolz in einen spannenden Thriller verwandelt, der uns durch mehrere Jahrzehnte und durch viele Länder führt. Ein tolles Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Montag, 5. April 2010

Walter Landin: Bluthitze



Hauptkommissar Lauer hat Ärger am Hals und zudem auch noch reichlich Arbeit: Kollege Meißner fällt wegen der kompliziert verlaufenden Schwangerschaft seiner Frau regelmäßig aus, Praktikantin Susanne muss betreut werden und zu allem Überfluss muss er in zwei Mordfällen gleichzeitig ermitteln. Und als wäre das nicht schon genug, wird auch noch der Halbbruder seines Sohnes entführt. Die Mutter bittet ihn, inoffiziell zu ermitteln, was weiteren Ärger nach sich zieht.

Walter Landin tüftelt seine Figuren regelrecht aus und verschafft ihnen einen soliden psychologischen Hintergrund. Dadurch werden die Protagonisten nicht nur glaubwürdiger, teilweise werden ihre Handlungen dadurch überhaupt erst verständlich. Ein Polizist ist eben nicht nur ein Ermittler. Er ist immer auch ein Mensch mit privaten Sorgen und Nöten, die sein berufliches Handeln beeinflussen, und zwar nicht immer positiv. In diesem sehr lesenswerten Buch wird das mehr als deutlich. Abgerundet wird der Lesespaß durch die schönen Illustrationen des Grafikers Heiko Prodlik-Olbrich.

Mittwoch, 31. März 2010

Harald Schneider: Wassergeld

Während der Weihnachtszeit herrscht am Rhein nicht selten das Hochwasser. Und ausgerechnet während eines solchen Hochwassers wird bei Altrip der Hochwasserdeich beschädigt - ein Bombenattentat! Es folgen Katastrophenalarm, die Evakuierung eines großen Campingplatzes, Erpressung und schließlich eine Leiche. Kommissar Reiner Palzki ermittelt in Kooperation mit der Wasserschutzpolizei in einem Sumpf aus Korruption und undurchsichtigen Immobilienspekulationen. Dabei beweist er Instinkt und Mut, da stört selbst der völlig unfähige neue Dienststellenleiter nicht weiter.

Alles in allem eine spannende Geschichte in einem durchaus realistischen Szenario. Der Autor möge mir jedoch das Folgende verzeihen, falls er jemals diese Zeilen zu Gesicht bekommen sollte: Für meinen Geschmack wirken die Dialoge der ewig herumblödelnden Protagonisten immer noch etwas zu künstlich, zu konstruiert. Auch der gegen Ende der Handlung aus dem Hut gezauberte kurpfälzische Daniel Düsentrieb macht es nicht eben einfach, den Roman als Krimi ernst zu nehmen. Es könnte natürlich sein, dass die Geschichte ohnehin als Parodie konzipiert ist. Dann würde ich mir in der Verfilmung Eddie Murphy oder Bruce Willis in der Rolle des Kommissar Palzki wünschen.

Aber nur um das klarzustellen: Das war jetzt auf ganz hohem Niveau genörgelt. Ich hatte meinen Spaß beim Lesen und empfehle das Buch ausdrücklich.

Freitag, 26. März 2010

Hubert Bär: Der Heidelberger Campus-Mord

Jochen Pfeifer wähnt sich ganz unten angekommen. Von seiner Familie hat er sich getrennt und er lebt nun in einer heruntergekommenen Absteige ohne Möbel. Seine wissenschaftliche Karriere am literaturwissenschaftlichen Institut in Heidelberg steht kurz vor dem Aus, und dann verschwindet auch noch eine Studentin, mit der er wegen der Benotung einer Semesterarbeit im Streit lag. Prompt gerät er unter Mordverdacht.

Was für ein seltsames kleines Buch! Vermutungen, Schilderungen und Traumsequenzen gehen völlig nahtlos ineinander über und am Ende ist man nicht wirklich sicher, ob der Fall jetzt gelöst ist. Nebenbei erhält man einen ironisierten, fast zynischen Einblick in die intrigante Ränkeschmiede, die ein geisteswissenschaftliches Institut an einer deutschen Universität wohl darstellt.

Sehr lesenswert!

Freitag, 19. März 2010

Ulrich C. Schreiber: Die Flucht der Ameisen

Gerhard Böhm freut sich auf ruhigere Zeiten: Seine Kinder sind jetzt erwachsen und aus dem Haus, so kann er endlich wieder mehr Zeit mit seiner Frau Katrin verbringen. Er nimmt sie sogar mit auf seine Forschungsexkursionen in die Eifel. Dort nimmt sie zum ersten Mal Anteil an seiner wissenschaftlichen Arbeit - er ist Geologe. Zusammen entdecken sie merkwürdige Unregelmäßigkeiten, die ihn zu neuen wissenschaftlichen Hypothesen um geologische Störungen und bevorstehende vulkanische Aktivitäten in dem Mittelgebirge inspirieren. Er versucht, neue Forschungsgelder aufzutreiben, um mit Hilfe einiger Doktoranden seine Hypothesen zu überprüfen, was ihm jedoch nicht gelingt.

Doch dann geschieht das unfassbare: In Brohl, in unmittelbarer Nähe des Rheins, bricht ein Vulkan aus und bestätigt so seine Hypothesen auf eine Art, die er sich in seinen wildesten Albträumen nicht hätte vorstellen können. Tausende Menschen sterben bei der Eruption, die wichtigsten Verkehrsadern Europas kommen zum erliegen, Deutschland versinkt in einem Beispiellosen Chaos. Und das ist erst der Anfang! Der Lavastrom blockiert das gesamte Rheintal an einer seiner engsten Stellen. Der Rhein staut sich auf eine Höhe von fast 200 Metern über dem Meeresspiegel auf und es entsteht ein Rückstau bis in den Oberrheingraben, Koblenz, Mainz, Frankfurt und viele kleinere Städte müssen in Windeseile evakuiert werden.
Schließlich droht der Lavadamm zu brechen, angesichts der aufgestauten Wassermassen droht eine Katastrophe von kontinentalen Dimensionen .

Das Buch gliedert sich eindeutig in zwei Teile. Den ersten Teil, vor der Katastrophe, nutzt der als Geologe tätige Autor, um seinen Lesern, eingebettet in eine Rahmenhandlung, die notwendigen Grundlagen der Tektonik zu vermitteln. Das ist auch notwendig, um den zweiten Teil überhaupt begreifbar zu machen. Und weil das spektakuläre Szenario dadurch so verständlich wird, ist es auch glaubhaft und macht das Buch deshalb unglaublich spannend.

Unbedingt lesen!

Samstag, 13. März 2010

Walter Landin: Mannheimer Karussel

Baumer ist für ein paar Tage Strohwitwer, denn seine Frau und seine Kinder sind zur goldenen Hochzeit seiner Schwiegereltern gereist. Dies ungewohnte Freiheit genießt er in vollen Zügen. Er stürzt sich in Mannheimer Nachtleben, lernt dabei eine hübsche junge Frau kennen und verbringt einen Abend mit ihr. Irgendwann die Frage "Zu Dir oder zu mir?" und es kam wie es kommen musste: Am nächsten Tag findet Baumer die Frau tot in seinem Ehebett. Und das ist erst der Anfang.

Herr Landins Kriminalgeschichte fällt insofern aus dem Rahmen, als sie nicht die Arbeit eines für Romane typischen Kriminalermittlers, zum Beispiel eines Polizisten oder Journalisten schildert, sondern die Abläufe ausschließlich aus der Perspektive einer zutiefst in die Verbrechen verstrickten Person erzählt. Ein spannendes kleines Buch, das ich nur empfehlen kann.

Lesen!

Dienstag, 9. März 2010

Günter Ruch: Die Blutkönigin

Im Jahr 55 vor Christus beginnt die Handlung dieser Geschichte. Iulius Caesar führt seit Jahren einen blutigen und unerbittlichen Eroberungskrieg in Gallien. Viele Stämme unterwerfen sich dem Imperator, so auch die Eburonen, ein keltischer Stamm, der seit vielen Generationen das Gebiet nördlich der Eifel seine Heimat nennt. Zu diesem Krieg gehören auch Strafexpeditionen, die von den Legionären des sadistischen Legaten Titurius Sabinus durchgeführt werden. Dabei werden ganze Siedlungen ausgelöscht, Menschen als Sklaven verschleppt, vergewaltigt oder langsam zu Tode gequält. Als es Caesar dann noch in den Sinn kommt, nach einem Dürresommer mit Missernten im gesamten Reich Sonderabgaben in Höhe von einem Drittel der ohnehin schon knappen Vorräte von den unterworfenen Stämmen zu fordern, sehen sich diese ihrer Existenzgrundlage beraubt. So beschließen die furchtlosen Krieger, sich gegen die römische Übermacht zu erheben und vernichten ganze Legionen. Doch Caesar sinnt auf Rache. Bald stehen die Kelten am Rande des Untergangs.

Dieser spannende Roman wird aus der Perspektive verschiedener Protagonisten erzählt. So lernen wir das damalige Leben kennen aus dem Blickwinkel einer jungen Druidin, eines Waffenschmieds, der schließlich zum Kämpfer wird, einer treverischen Sklavin, die eigentlich eine Prinzessin ist und auch die Sichtweisen einiger römischen Besatzer wird uns so eröffnet. Die historischen Hintergründe und historisch belegten Figuren werden eingebunden in eine fesselnde Handlung, die einen das Buch erst weglegen lässt, wenn man es vollständig verschlungen hat.

Definitiv kein Kinderbuch, aber sehr lesenswert!

Freitag, 5. März 2010

Burkhard Ziebolz: Im tiefsten Dunkel




Liam Coubert lebt in Mannheim. Ausgerechnet der alte Wasserturm ist seine Insel der Ruhe, die er inmitten des großstädtischen Treibens als eine Art Hausmeister bewohnt. Dort sammelt er Bücher und versucht, längst vergangenen Erinnerungen zu entfliehen. Doch diese Vergangenheit holt ihn eines Tages ein. Eine schreckliche Mordserie spielt sich in seiner unmittelbaren Umgebung ab, genau so, wie es fast zwei Jahrzehnte zuvor schon einmal war. Und wieder gerät er unter Verdacht.

Auch wenn man die Auflösung schon relativ früh erahnt, so ist dieser Krimi psychologisch einfühlsam erzählt und spannend bis zur letzten Seite. Nichts ist wie es scheint.

Lesen!

Samstag, 20. Februar 2010

Michail Krausnick: Beruf: Räuber

Wer arm war im Deutschland des beginnenden 19. Jahrhunderts, der hatte nichts zu lachen. Und arm waren damals viele. In dem von Kleinstaaterei und Kriegen geschwächten Land lebten ca. 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung auf der Straße. Als Tagelöhner, Hausierer, Bettler oder als Straßenräuber kamen sie mehr schlecht als recht über die Runden. So vegetierten auch der Mannefriederich und seine Freunde: Im Sommer zogen sie als Glücksspieler, Schausteller, Bettler und Wanderarbeiter durch die Lande, im Winter aber, wenn die Nächte lang und Dunkel waren, machten Sie als Hölzerlipsbande Spessart und Odenwald unsicher. Im Mai 1811 überfielen sie an der Bergstraße eine Postkutsche, einer der Reisenden kam dabei zu Tode. Ein folgenschwerer Fehler: Die Bande wird gefasst, und nach und nach gehen den Behörden durch die Aussagen der Täter immer mehr Diebe und Räuber ins Netz. In Heidelberg werden die Mitglieder der Bande schließlich nach einem Schauprozess öffentlich hingerichtet.

Michael Krausnick erzählt in seinem Roman die letzten Monat der Hölzerlipsbande im Gefängnis. Er erzählt keine erfundene Geschichte, sondern rekonstruiert aus alten Gerichtsakten, aus den Aufzeichnungen des Stadtpfarrers, der die Bandenmitglieder in ihren letzten Monaten seelsorgerisch betreute und bis aufs Schafott begleitete und aus weiteren Quellen diesen außergewöhnlich gut dokumentierten Kriminalfall. Dabei zeichnet er ein beklemmendes Bild von der Armut und Not der Menschen im vorindustriellen Deutschland und vermittelt so, eingebunden in eine spannende Rahmenhandlung, seine profunden historischen Kenntnisse.

Unbedingt lesen!

Mittwoch, 17. Februar 2010

Heinrich Steinfest: Gewitter über Pluto

Lorenz Mohn möchte beruflich umsatteln. Nicht, dass er mit seinem Beruf nicht zufrieden wäre. Aber er findet, dass es mit Anfang vierzig an der Zeit ist, sich neu zu orientieren. Noch ist er den Anforderungen seiner Arbeit körperlich gewachsen, aber er möchte aufhören, bevor das Alter dies zwingend notwendig macht. So beschließt der gut aussehende Lorenz den Wechsel vom viel beschäftigten Pornodarsteller zum Besitzer eines Woll- und Handarbeitsgeschäftes.
Noch während er die alte Bäckerei, welche er zu diesem Zweck gemietet hat renoviert, übernachtet er in einem geheimnisvollen Hinterzimmer des Ladenlokals. Als er morgens aufwacht, findet er unter seinem Bett den ehemaligen Besitzer der Bäckerei vor - mit durchgeschnittener Kehle und völlig ausgeblutet.
Mit Stavros Stirling, dem Wiener Kriminalkommissar griechisch-britischer Abstammung, taucht dann ein alter Bekannter aus dem Heinrich-Steinfest-Universum in der Geschichte auf und übernimmt die Ermittlungen. Obwohl die Indizien zunächst gegen Lorenz sprechen, lernen die beiden Männer, einander zu vertrauen. Sie machen sich gemeinsam auf die Suche nach einem Archaeopteryx, dessen Rolle in diesem seltsamen Verwirrspiel noch zu klären ist.

Normalerweise mache im um Bücher, die mit rosafarbenen Buchstaben beschriftet sind und von deren Schutzumschlag mich ein niedliches, flauschiges Schaf anglotzt, einen Bogen. Und zwar einen großen! Aber wenn der Schutzumschlag schwarz ist, und außerdem noch die Worte "Heinrich Steinfest" darauf prangen, dann kann ich auch Ausnahmen machen. Die Romane des Herrn Steinfest ragen wegen der außergewöhnlich seltsamen Einfälle des Autors aus der Masse hervor wie eine Saturn V Rakete aus den Sümpfen Floridas. Schon seine Vorliebe für in irgendeiner Form gehandicapte Personen, aber auch seine bizarren, teilweise grotesken Ideen für die Handlung machen seine Bücher zum Genuss. Aus dem Kriminalroman wird im Verlauf der Handlung ohne jede Vorwarnung ein Science Fiction. Doch schon bald hüpfen einige Figuren aus der Romanhandlung auf die Metaebene und stellen die Frage in den Raum, ob sie nicht Figuren eines Romans seien oder einfach nur verrückt.

Ein tolles Buch, das ich jeden Freund schwarzen Humors und jedem Liebhaber verquaster Geschichten wärmstens empfehlen kann.

Lesen!

Donnerstag, 21. Januar 2010

Ulrich Ritzel: Forellenquintett

In einem Beichtstuhl in einer katholischen Kirche irgendwo in Polen wird ein menschlicher Kopf gefunden. Ein schweigender Pianist taucht ohne Papiere auf und landet in einer Nervenheilanstalt. Brauner Sumpf, anonyme Drohbriefe von einem Toten, das rätselhafte Verschwinden eines Jungen in der Vergangenheit und Drogenschmuggel in der Gegenwart. Und Kriminalkommissarin Tamar Wegenast mittendrin, verliert ihre Reputation, wir schließlich selbst des Mordes bezichtigt und am Ende...

Neneneeneee! Das werde ich doch jetzt nicht verraten!

Herr Ritzel lässt es in seinem Krimi langsam angehen. In aller Ruhe baut er diverse Handlungsfäden auf und verflicht sie miteinander. Dieses Geflecht nimmt den Leser mehr und mehr gefangen, und am Ende ist man geradezu erleichtert, dass das Buch endlich ausgelesen ist - so spannend ist es.

Lesen!

Montag, 4. Januar 2010

Michail Krausnick: Der Pfälzer Al Capone

Bernhard Kimmel war in den 50er Jahren in der Pfalz ein Tresorknacker und Einbrecher. In der Zeit von Wirtschaftswunder und unaufgearbeiteten Nazi-Verbrechen verstand er sich als eine Art wiederauferstandener Schinderhannes, der den Reichen nahm, was er den Armen (manchmal) gab.

Ein biografischer Roman wie dieser ist immer auch eine Zeitreise, die uns hilft, den Protagonisten im Zusammenhang mit seinem persönlichen Werdegang zu verstehen. Da das vorliegende Buch in mehreren Zeitebenen spielt, erhalten wir so mehrere interessante Sittengemälde, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Eines aus den späten Kriegsjahren des zweiten Weltkriegs, eines der Aufbauzeit am Anfang der Bundesrepublik und ein weiteres aus den frühen Siebzigern.
Ein lesenswertes Buch mit viel Lokalkolorit.


Freitag, 1. Januar 2010

Wladimir Kaminer: Meine russischen Nachbarn

"Wer russische Nachbarn hat, braucht keine Freunde mehr." so steht es auf dem Einband. Herr Kaminer hat russische Nachbarn, eine russische WG, um es genauer zu beschreiben. Er erlebt dadurch ebenso bizarre wie unterhaltsame Episoden und lässt uns in diesem lesenswerten Buch daran teilhaben. Alles in allem ein herzerwärmender Appell an uns, nachbarschaftliche Beziehungen zu hegen und zu pflegen. Nebenbei erhält man lehrreiche Einblicke in die deutsche Mentalität aus der Außenperspektive eines russischen Einwanderers.