Freitag, 30. Dezember 2011

Carsten Sebastian Henn: In Vino Veritas

Julius Eichendorf ist nicht nur Betreiber der Gaststätte "zur alten Eiche" in Heppingen an der Ahr, er ist auch ein Spitzenkoch mit Sterne-Ambitionen. Und dieser Tage reist der anonyme Michelin-Tester durch die gehobenen Restaurants des Ahrtals, soviel hat sich inzwischen herumgesprochen. Als ob dies noch nicht genug der Aufregung wäre, wird auch noch der beste und bekannteste Winzer der Gegend ermordet aufgefunden. Dessen Frau, eine Großcousine Eichendorfs, wird verdächtigt, in den Mord verstrickt zu sein und bald darauf in Untersuchungshaft genommen. So stolpert der Koch, der eigentlich nur seiner Cousine helfen möchte, bald in den Ermittlungen herum und macht sich dadurch selbst verdächtig. Ein gefährliches Spiel mit dem Mörder und den Ermittlungsbehörden beginnt.

Alle Jahre wieder erhalte ich zu Weihnachten Bücher. "Apollon sei Dank!" möchte man da ausrufen. So kam ich in den Besitz eines Werks dieses mir bisher völlig unbekannten Krimiautoren. Es ist logisch aufgebaut, durchaus originell, spannend erzählt und enthält viel Lokalkolorit meiner alten Heimat an der Ahr. Gewürzt wird der Lesegenuss noch durch eingestreute Rezepte - eine Verbeugung vor Johannes Mario Simmel - und durch ein Finale, welches Agatha Christie sicher gefallen hätte. Wieder einmal einen tollen Schriftsteller entdeckt! Und da der schon sechs Romane in dieser Reihe verfasst hat, hat sich mein Bücherdealer einmal mehr über meinen Besuch gefreut: Ich habe mir die ganze Serie sofort bestellt.

Lesen!

Montag, 26. Dezember 2011

Walter Moers: Das Labyrinth der träumenden Bücher

Rund zweihundert Jahre sind vergangen, seit Buchhaim von einer Feuerkatastrophe heimgesucht wurde. Hildegunst von Mythemetz, zamonischer Literat der Extraklasse, Augenzeuge und Held der Ereignisse, die seinerzeit in der Vernichtung eines Großteils der Stadt mündeten, schrieb dies damals in seinem unsterblichen Werk "Die Stadt der träumenden Bücher" nieder. Nun, nachdem er sich auf der Lindwurmfeste hinreichend von seinem atemberaubenden Erfolg erholt hat, zieht es ihn wieder in das inzwischen neu erstarkte Zentrum zamonischer Kultur. Die Stadt hat sich völlig verändert, und er beginnt eine lange Entdeckungsreise. Doch zunächst läuft ihm ein äußerst unhöflicher Zwerg über den Weg.

Ich kenne die Werke von Walter Moers schon eine ganze Weile. Lange bevor er in seinen Comics die allseits bekannte Figur "Das kleine Arschloch" schuf, amüsierte ich mich in meiner Studentenbude schon über die Abenteuer des kühnen Ritters Heinz, die Zauberbohnen von Heinz-Achmed, das Tier, welches die Farbe wechselt, wenn man es möpt und die Ereignisse am Tag danach. Ich kicherte nicht nur ob seiner drolligen Zeichnungen, sondern vor allem wegen seiner überbordenden Phantasie, mit der er Paralleluniversen zu schaffen in der Lage ist, die ihresgleichen suchen. Als ich dann in einer Buchhandlung sah, dass er angefangen hatte, Romane zu schreiben war ich zunächst skeptisch - genau eine halbe Stunde lang. So lange hatte ich gebraucht, um "Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär" zu kaufen, nach Hause zu tragen und die ersten Seiten zu lesen. Ich war augenblicklich fasziniert und auch absorbiert von seinem Schreibstil und seiner Geschichte. Ich legte dieses Buch schließlich erst wieder aus der Hand, als ich es fertig gelesen hatte. Seitdem habe ich alle seine Romane geradezu verschlungen, x-mal verschenkt oder meinen Schülern empfohlen, die "13 1/2 Leben" sogar zwei mal vorgelesen. Mal in Auszügen und einmal vollständig.

Wie man unschwer erkennt, habe ich zu Walter Moers Büchern, egal ob nun gezeichnet oder geschrieben, ein geradezu erotisches Verhältnis. Und obwohl dieses Buch wieder einmal meine Erwartungen an die Handlung nicht erfüllt, ändert es an der Liebe zu den Werken des Herrn Moers nichts. Vermutlich gerade deshalb.

Herr Moers: bitte mehr von diesem Stoff! Möge Sie weiterhin das Orm durchströmen, und zwar reichlich!

Unbedingt lesen, und zwar sofort!

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Emmanuel Roudier: Neandertal

 ...und zwar alle drei Bände:
1.  Der Jagdkristall
2.  Der Lebenstrank
3.  Der Anführer der Meute

Langhou ist wegen einer Körperbehinderung als Jäger eine ziemliche Niete. Aber da er Steinwaffen herstellen kann wie kein anderer, ist er für seine Sippe trotzdem ein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft. Als sein Vater bei der Jagt auf ein riesiges schwarzes Bison getötet wird, beschließt er, Rache an dem Tier zu üben - eine Aufgabe, an der bisher selbst die besten Jäger scheiterten. Außerdem wird er Zeuge eines ungeheuerlichen Komplotts, das er aber nicht beweisen kann. Er muss sich also zunächst auf die Suche nach dem Jagdkristall machen, eine Lanzenspitze mit geradezu legendären Kräften. Und so beginnt seine abenteuerliche und gefährliche Reise.

In Emanuel Roudiers großformatigen Comicbüchern sind die Protagonisten keine evolutionsbiologisch modernen Menschen. Es sind vielmehr unsere nächsten Verwandten, die während der letzten Eiszeit den Kontinent mit uns gemeinsam bewohnten. Schätzte man zu meiner Schulzeit die intellektuellen und kulturellen Fähigkeiten dieser Menschenart noch gering ein, so sieht es die moderne Wissenschaft heutzutage völlig anders. Funde von Kultstätten der Neandertaler sowie ihre Werkzeuge und Waffen sprechen einfach eine andere Sprache. Folgerichtig sind die Helden dieses opulenten Steinzeitepos auch keine tumben Halbaffen, die sich grunzend und mit primitiven Keulen um das erlegte Wild streiten. Es sind vielmehr Menschen mit Empfindungen, Sprache, handwerklichen Fähigkeiten und komplexen sozialen Interaktionen. Sie haben Kenntnisse in Naturheilkunde und verfügen über spirituelle Denkmodelle.

Dementsprechend vielschichtig und spannend ist die von Roudier erzählte Geschichte. Die trotz zurückhaltender Farbgebung prächtig gestalteten Doppelseiten der Bücher runden den Lesegenuss dieses eiszeitlichen Roadmovies ab. Ein Comicabenteuer, das zu lesen ich unbedingt empfehle, und zwar auch und ganz besonders Erwachsenen.

Ein Wort noch: Kaufen Sie Comicbücher! Und beachten Sie dabei besonders die tollen Werke der europäischen Zeichner. Diese wunderbare Kunstform wird oft aus Unwissenheit gleichgesetzt mit fliegenden Superhelden in Strumpfhosen und deshalb leider immer noch viel zu wenig gewürdigt.

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Walter Isaacson: Steve Jobs - Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers

Steve Jobs war, und das werden mir sicher auch seine Kritiker bestätigen, eine schillernde und interessante Persönlichkeit. Von seinen Anhängern wurde er wie ein Rockstar gefeiert, während seine Kontrahenten ihn vermutlich am liebsten mit Weihwasser bespritzt hätten, in der Hoffnung, er verbrenne dadurch. Wenige in seiner Branche haben so sehr polarisiert, noch weniger haben derartig viele Innovationen auf den Weg gebracht. Und er war unglaublich erfolgreich. Nachdem die von ihm gegründete Firma ihn vor die Tür gesetzt und er mit NeXT einen weiteren Computerhersteller gegründet und glücklos geführt hatte, bekam er bei Apple eine zweite Chance. Und diese nutze er in einer Art und Weise, die damals niemand für möglich gehalten hätte: Apple ist heute die Firma mit dem höchsten Börsenwert weltweit.

Isaacson begleitete und interviewte Jobs und seine Familie in den letzten Jahren seines Lebens und brachte dadurch noch einige andere Seiten des Apple-Gründers zum Vorschein: Er war ein Musikliebhaber, der Bob Dylan und die Beatles schätzte. Er war bewandert in Zen-Buddhismus und fanatischer Veganer. Gleichzeitig galt er als ein despotischer und überaus launischer Manager, der die Wirklichkeit so nachhaltig ausblenden konnte, dass Isaacson dafür in Anlehnung an das Star-Trek-Universum den Begriff des "Reality Distortion Field" geprägt hat. Gemeint ist Jobs Fähigkeit, die Realität konsequent zu ignorieren, gleichsam zu verzerren und um sich herumzuleiten. Einerseits ermöglichte dies, sich vollends und ohne jede Ablenkung auf ein gesetztes Ziel zu fokussieren. Andererseits konnte er damit auch Firmen in den Ruin und Mitarbeiter in den Wahnsinn treiben. Es ermöglichte ihm, Produkte nach seinen Vorstellungen zu entwickeln, völlig unabhängig von technischer Machbarkeit oder Marktstudien. Die technische Machbarkeit mussten seine Ingenieure nachliefern - nicht immer ein leichtes Unterfangen - den Markt eroberte er schließlich mit seinen charismatischen Auftritten zur Produktpräsentation.

Gerade diesen Aspekt seiner Persönlichkeit, dieses "Reality Distortion Field", beleuchtet Isaacson von allen Seiten. Letztendlich führte es wohl auch dazu, dass Jobs trotz gegenteiliger ärztlicher Ratschläge zunächst versuchte, seine schwere Krebserkrankung mit diversen Naturheilverfahren zu bekämpfen. Ob er bei anderer Behandlung seinen Krebs noch hätte besiegen können, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber die Vermutung liegt zumindest nahe.

Als aufmerksamer Konsument von diversen Publikationen aus dem IT-Bereich waren mir natürlich nicht alle Inhalte dieses Buches gänzlich neu. Trotzdem erscheinen mir jetzt viele Zusammenhänge klarer. Die Apple-Firmenphilosophie versteht man nach diesem Buch auf jeden Fall besser - ob man diese Philosophie nun mag oder nicht.

Ich sag's mal so: Lesen!
Wer sich für Management und/oder IT interessiert: Unbedingt lesen!
Wer Apple-Fanboy oder-girl ist: Lesen, und zwar sofort!