Samstag, 24. Dezember 2016

Marc Elsberg: Zero

Journalistin Cynthia Bonsants Tochter benutzt eine Online-Ratgeber, der ihrem Leben eine neue Wendung gibt. Dieser sammelt alle Daten des Teenagers, derer er habhaft werden kann: Aufenthaltsorte, Herzschlag, Gewohnheiten und Bewegungsprofil. Auch ihre Äußerungen auf sozialen Netzwerken werden von dem cleveren System gesammelt und ausgewertet. Es macht darauf aufbauend Vorschläge für ein gesunderes und erfolgreicheres Leben. Der Teenager verbessert sich in der Schule, ändert seine Kleidervorlieben und sucht sich neue Freunde. Cynthia registriert sich ebenfalls, da aus beruflichen Gründen über diesen Ratgeber recherchieren soll. Nach und nach versteht sie, wie das System funktioniert und ist immer wieder überrascht, über welche Datenvielfalt es verfügt. Irgendwann macht sie eine schreckliche Entdeckung und gerät sehr bald in große Gefahr.

Nach „Blackout“ ist dies der zweite Elsberg-Roman, der mir in die Finger kommt. Er ist brillant recherchiert, ganz hart an der schon existierenden Realität und gerade deshalb so erschreckend. Versuchen Sie einmal, herauszubekommen, was Google, Apple oder Microsoft bereits jetzt über Sie wissen. Sie werden erstaunt sein, wie wenig sich Elsberg mit seinem Zukunftsszenario von der aktuellen Situation entfernen musste um für seine spannende Geschichte eine Welt zu konstruieren, die dem Überwachungsstaat in Orwells 1984 in nichts nachsteht.

Ein spannendes und gleichzeitig sehr wichtiges Buch. Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Montag, 19. Dezember 2016

Sebastian Fitzek: Das Paket

Emma ist eine angesehene Psychologin. Doch was die wenigsten wissen: Letzten Endes hat sie dieses Fach auch in eigener Sache studiert: Von ihrem Vater brüsk zurückgewiesen hat sie sich schon als kleines Mädchen eine Welt von furchteinflößenden Wahnvorstellungen geflüchtet. So ist es für sie nicht ganz einfach, der Polizei glaubhaft zu machen, dass sie in ihrem Hotelzimmer nach einem Kongress brutal überfallen und vergewaltigt wurde. der Hotelrezeption ist ihr Name unbekannt, die von ihr angegebene Zimmernummer existiert nicht und die einzige Zeugin, die bestätigen könnte, dass sie sich wirklich in dem Hotel aufgehalten hat ist nicht aufzutreiben. Nach und nach driftet sie ab in eine Welt der Depressionen und Paranoia. Sie schließt sich im Haus ein und schottet sich völlig ab. Eines Tages klingelt der Postbote, und bittet sie, ein Paket für einen Nachbarn anzunehmen: Eine Horrorvorstellung! Doch das ist erst der Anfang.

Sebastian Fatzkes Geschichten sind überaus spannend. Geschickt legt der Autor jede Menge falsche Spuren, ohne die einzig richtige zu verbergen. Der Horror der Protagonistin wird  auf beklemmende Art greifbar und in diese Welt der Angst taucht man ganz tief ein.

Ein tolles Buch! Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Montag, 5. Dezember 2016

Simon Beckett: Totenfang

Dr. David Hunter, der forensische Anthropologe im Dienste der Polizei, wird zur Bergung einer Wasserleiche gerufen, die von den Gezeiten an die Ufer der englischen Ostküste gespült wurde. Die fortgeschrittene Verwesung der Leiche macht eine Identifizierung scheinbar unmöglich, aber die Kleidung gibt deutliche Hinweise. Hunter beschließt, sich nach einer Autopanne in den Backwaters, dem ostenglischen Wattenmeer, eine vorübergehende Bleibe zu suchen. Er landet ausgerechnet bei einer Familie, die selber in den Mord verstrickt ist. Und so wird er immer tiefer hineingezogen in den Fall, den er eigentlich aufklären wollte.

Simon Beckett schreibt wie gewohnt so spannend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Die atmosphärisch dichte Beschreibung der Landschaft nimmt einen ebenso gefangen wie die Handlung. Ich konnte beim Lesen Google-Earth auf dem Telefon kaum noch ausschalten, konnte nicht aufhören, mir Luftbilder und Wikipedia-Artikel der Backwaters in den Kopf zu knallen. Wenn man das so macht, ist das "Stereo Lesen" vom Allerfeinsten.

Großartiger Stoff!

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Montag, 21. November 2016

Carsten Sebastian Henn: Der letzte Champagner

Professor Dr. Dr. Dr. h. c. Adalbert Bietigheim reist mit seinem geliebten Foxterrier Benno von Saber in die Champagne. Im bezaubernden Reims moderiert er gekonnt und souverän eine Champagnerverkostung der Extraklasse. Noch während der Verkostung wird jedoch sein guter Freund, der Champagnerproduzent Ghislain de Montgolfier, auf grauenvolle Weise ermordet. Selbstverständlich übernimmt Bietigheim die Ermittlungen. Schon bald wird es für den Professor richtig gefährlich.

Zunächst erinnerte mich der Charakter des Professors Bietigheim an Hercule Poirot, jenen unvergleichlichen Detektiven aus der Feder der Agatha Christie. Aber der Schein trügt: Der liebenswert schrullige Ermittler hat viel mehr von Miss Jane Marple, welche ebenfalls von Agatha Christie erfunden wurde.

Ein äußerst unterhaltsames Buch, das zu lesen ich uneingeschränkt empfehle:

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Donnerstag, 10. November 2016

Ulrich Magin: Das ist die Pfalz

Weinberg. Waldmeer. Weltachs

Das Buch kommt wie ein gewöhnlicher Reiseführer daher, ist aber weit mehr. Kenntnisreich beschreibt und erklärt der Autor die schönsten Plätze in der schönsten Gegend Deutschlands. Es ist, und soll es wohl auch sein, eine Liebeserklärung an eine Landschaft, ein Hochamt für Worscht, Weck un Woi, eine knietiefe Verbeugung vor den Menschen die hier leben.

Wenn ich die Pfalz nicht schon längst innigst lieben würde, ich würde spätestens nach dem Lesen dieses wunderbaren Buches damit anfangen.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Samstag, 29. Oktober 2016

Rayk Anders: Eure Dummheit kotzt mich an

Wie Bullshit unser Land vergiftet

Rayk Anders ist kein Unbekannter. Mit seinem Videoblog "Armes Deutschland" erreicht er auf YouTube rund 75000 Abonnenten, seiner Facebook-Seite folgen über 60000 Personen. Auch wenn es hier sicher eine große Schnittmenge gibt, so können wir doch davon ausgehen, dass der freie Journalist allein auf diesen beiden Kanälen knapp sechsstellige Zuschauerzahlen vorweisen kann.

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen und dumpfe Hetzer als Solche zu entlarven. In gewohnt leicht schnodderiger Sprache tut er dies nun auch in Schriftform. Er pickt sich für jedes Kapitel eine andere der in der letzten Zeit so oft auf Demonstrationen empörter "Wutbürger" gebrüllte Parole heraus und pflückt diese argumentativ auseinander, bis nichts mehr davon übrig bleibt. Er macht das sehr verständlich, plakativ und untermauert seine Argumentation mit gut recherchierten Quellen.

Ein gutes und wichtiges Buch.
Lesen!
Und zwar unbedingt und sofort.

Montag, 24. Oktober 2016

Kerstin Bachtler, Heinz Moosmann: 111 Gründe, die Pfalz zu lieben

Eine Liebeserklärung an die schönste Region der Welt

Bassemoluff!
Die Pfalz, das ist nicht irgendein hinterwäldlerisches hillbilly-country! Die Pfalz das ist die Rheinebene, wo der Blick, einen erhöhten Standpunkt und schönes Wetter vorausgesetzt, ungehindert bis zum Schwarzwald reicht. Wo das beste Gemüse der Welt herkommt, der quitschigste Spargel und die leckersten Erdbeeren. Die Pfalz ist auch der Pfälzerwald oder die Hinterpfalz (besser sagt man Westpfalz). Hier gibt es wunderschöne Wanderwege durch alte Forste und Wälder, geschichtsträchtige Burgen, gigantische Ameisenhaufen (kommen im Buch übrigens nicht vor), seit neustem sogar wieder Luchse (dito) und natürlich den FCK. Und schließlich ist die Pfalz die Weinstraße, jene malerische Hügellandschaft zwischen der Ebene und dem Gebirge. Hier scheint die Sonne über 2000 Stunden im Jahr, und es gedeihen neben dem hervorragende Wein auch duftende Feigen, Keschde (Esskastanien),   spektakulär blühende Mandelbäume und besonders pelzige Kiwis.

Hier leben gastfreundliche Menschen, die es sich gut gehen lassen und die schon mehr als einmal Weltgeschichte geschrieben haben. Hier leben tolle Erfinder und Ingenieure, traditionsbewusste und doch in die Zukunft blickende Bauern und Winzer, beliebte Fußballer und herausragende Köche.

Ich bin verliebt in diese Region und ihre Bewohner, deshalb habe ich schon vor über zehn Jahren beschlossen, hier nicht mehr fortzugehen. Kerstin Bachtler und Heinz Moosmann sind es offensichtlich auch und darüber schreiben sie in ihrem Buch. Und wer die Pfalz kennt, der weiß: Sie haben Recht. Mit jedem einzelnen der 111 Kapitel. Und mit dem Vorwort. Und mit dem Nachwort.

Ein tolles Buch. Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Donnerstag, 13. Oktober 2016

Hamed Abdel-Samad: Mohamed

Eine Abrechnung

Mohameds Leben: Eine Erfindung seiner politischen Erben? Die frühen muslimischen Gemeinden: mafiös strukturierte Verbrecherbanden? Die Offenbarungen des Propheten: Halluzinationen eines Epileptikers?

Der ehemalige Moslem und studierter Islamwissenschaftler stellt alles in Frage, was ich bisher über den Islam zu wissen glaubte. Er beleuchtet die Entstehungsgeschichte der Weltreligion und hinterfragt die Quellen, aus denen sich ihr heiliges Buch speist. Er stellt aktuelle Bezüge auf und kommt zu der These, dass der Islamismus nicht durch eine Fehlinterpretation des Koran zustande kommt sondern durch eine unkritische Überhöhung des Propheten Mohamed.

Das ist für den Autor Abdel-Samad lebensgefährlich, aber dieses Risiko geht er bewusst ein. Selbst für mich wären diese paar Zeilen über sein Buch möglicherweise nicht folgenlos, wenn ich in ein stark vom Islam geprägtes Land wie zum Beispiel Saudi-Arabien reisen würde.

Ich wünsche dem Buch trotzdem viele aufgeschlossene und interessierte Leser.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Montag, 3. Oktober 2016

Ulrich Magin: Sagen & Legenden aus der Pfalz

Wussten Sie schon, dass die Weltachse mitten im Pfälzer Wald aus dem Sandstein ragt und daselbst regelmäßig geschmiert werden muss? Oder wie der Jungfernsprung im Dahner Felsenland zu seinem Namen kam? Wie es Richard Löwenherz auf den Trifels verschlagen hat? Oder was es mit der Seeschlacht von Burrweiler auf sich hat?

Nicht? Dann sollten Sie schleunigst dieses schön geschriebene Buch rund um die Sagen und Legenden der Pfalz lesen. Ulrich Magin verortet die Geschichten ebenso sorgfältig, wie er seine Quellen offenlegt. Ein ganz besonderer Lesespaß, nicht nur für die Bewohner der Region.

Sonntag, 25. September 2016

Jürgen Mathäß: Schweigen

Der Wahlpfälzer Kommissar Badenhop staunt nicht schlecht über die Liebe der Pfälzer zu ihrem Essen und ihrem Wein. Wenn es um Wein geht, verstehen sie keinen Spaß. Der ursprünglich aus Hamburg stammende Polizist ermittelt im südpfälzischen Schweigen wegen des vermeintlichen Unfalltodes eines Weinkontrolleurs und seiner Frau. Hier, direkt an der französischen Grenze, schwelt seit Jahren ein Konflikt zwischen den ortsansässigen Winzern und dem Kontrolleur um die korrekte Lagebezeichnung von Weinen, deren Trauben auf französischen Gebiet geerntet wurden. Da es bei diesem Streit auch um handfeste wirtschaftliche Interessen geht, vermutet Badenhop einen Zusammenhang zu dem Kriminalfall. Dass an den Bremsen des Unfallfahrzeugs herummanipuliert wurde, soll zunächst noch nicht bekannt werden um in aller Ruhe ermitteln zu können. Plötzlich sitzt ihm ein Journalist im Nacken, der den großen Knüller wittert, und mit seinen vorschnell veröffentlichen Vermutungen die Ermittlungen erheblich beeinträchtigt. Außerdem belasten Badenhop zudem auch private Sorgen.

Auch in diesem dritten Roman um den Hamburger Kommissar in der Pfalz gelingt es Mathäß wieder hervorragend, seiner interessanten Hauptfigur neue Facetten zu entlocken. Der ursprünglich etwas steif daherkommende norddeutsche Beamte taut zusehens auf und wird von der Pfälzer Lebensart korrumpiert. Das Buch liest sich ob der vielen Weingut- und Restaurantempfehlungen wie ein kulinarischer Führer. Nicht wenige dieser Tipps habe ich bereits ausprobiert und bin immer wieder aufs neue begeistert von diesen Empfehlungen.
Doch der Roman ist natürlich auch und vor allem ein spannender Krimi mit einer interessanten Geschichte, die eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte dieses schönen Landstrichs aufarbeitet.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Sonntag, 18. September 2016

Frau Freitag: Echt easy, Frau Freitag

Die unter Pseudonym schreibende Kollegin an einer Gesamtschule in einer deutschen Großstadt (es wird nie ausdrücklich gesagt um welche Stadt es sich handelt, aber ich bin mir inzwischen sicher, dass es Berlin ist) erzählt von ihrer Arbeit und vom Rest ihres Lebens:

Der ehemalige Lieblingsschüler hat inzwischen Abitur gemacht, kommt sie aber immer noch ab und zu auf einen Plausch besuchen. Er könnte jetzt ihr Kollege werden, liebäugelt aber mit einem Maschinenbaustudium. Sie bekommt wieder eine siebte Klasse als Klassenleiterin, und die Kinder sind überraschenderweise richtig nett. Den erneuten Einsatz in einer besonders nervenaufreibenden Klasse kann sie erfolgreich abwehren - das Leben ist schön.

Was Frau Freitag in diesem Buch an Erlebnissen zusammenträgt ist für einen Gymnasiallehrer im ländlich geprägten Neustadt an der Weinstraße so etwas wie "Unterrichten von einem anderen Stern".
Es ist anrührend, bisweilen schockierend, gelegentlich auch bezaubernd, zwerchfellerschütternd komisch, lehrreich, jedoch auf jeden Fall eines: unterhaltsam.

Ich bin froh, dass mein Leben so ist, wie es ist, glaube aber, dass es der Autorin genauso geht: Sie ist zufrieden mit ihrem Beruf und ihren Klassen. Und das ist die wichtigste Fertigkeit, die man in den Lehrerberuf einbringen sollte. Der Rest ist zweitrangig.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.


Samstag, 10. September 2016

Frau Freitag: Voll streng, Frau Freitag

Frau Freitags zehnte Klasse steht kurz vor dem Abschluss. Bleibt es bei dem schon mit dem Erreichen der 10. Jahrgangsstufe errungenen Hauptschulabschluss? Oder schaffen sie den Realschul- oder wenigstens den erweiterten Hauptschulabschluss? Manche träumen sogar vom Übergang an ein Oberstufenzentrum und dem Abitur. Aber alle träumen. Oder besser gesagt schlafen. Nämlich zu lange oder gar gleich in der Schule. Es wird geschwänzt und nichts verstanden, Keiner hat eine realistische Vorstellung von dem, was nach der Schule kommt und man ist verpeilt bis zum Anschlag.

Ein realistisches und lehrreiches Buch über den Schulalltag einer Gesamtschullehrerin. Aber vor Allem ist es eins: Voll lustig!

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Mittwoch, 31. August 2016

Frau Freitag: Chill mal, Frau Freitag

'Eine der Lieblingsbeschimpfungen aller Schüler ist ja Spast. Jedes Mal, wenn ich das Wort höre, frage ich die Schüler: "Weißt du denn, was ein Spast ist?" Und ich bekomme immer die gleiche Antwort: "Ja, klar. Ein Spast ist ein kleiner Vogel." Da steht also ein riesiger arabischer Schüler vor mir, wahrscheinlich mit Messer und Totschläger in der Tasche und einer kiloschweren Schüler- und Polizeiakte, und denkt, ein Spast ist ein kleiner Vogel.'
Ich klau' ja sonst nie den Klappentext, wenn ich ein Buch bespreche. Aber dieses Zitat ist einfach zu treffend. Zeigt es doch geradezu vielschichtig, gegen welche Windmühlenflügel Frau Freitag in ihrer eher wenig leistungsfähigen neunten Klassen ankämpfen muss. Da beschimpft man sich gegenseitig, da fliegen auch schon einmal die Fäuste, nur für den Unterricht interessiert sich keiner der Jungs. Die Mädchen schminken sich, tragen Kopftücher mit Glitzer ("Disco-Islam") und überhaupt alle kommen zu spät oder garnicht. Was wie eine schulische Gesamtkatastrophe aussieht, ist auch eine. Und doch lernen die Kinder bei Frau Freitag etwas, denn letzten Endes liebt sie ihre Schülerinnen und Schüler. Die Kinder merken, dass sie ihrer Lehrerin nicht egal sind, und so kommt sie immer wieder an sie heran. Ob's etwas nutzt?

Definitiv interessant und spannend, auf jeden Fall lehrreich und manchmal auch sehr lustig ist dieses Buch einer Lehrerin an einer Problemschule in einer deutschen Großstadt.
Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Mittwoch, 24. August 2016

Johann König: Der Königsweg

Der Triumph der Langeweile

Wenn es stimmt, was der Autor hier darstellt, dann schießen ihm in völlig banalen Alltagssituationen die irrsinnigsten Dinge durch den Kopf. Insofern ist es nur konsequent, dass er in seinem Werk einfach nur aus seinem Leben erzählt. Als Untertitel fungieren die gedachten (und machmal auch ausgesprochenen) Einfälle, die an absurder Komik kaum zu überbieten sind.

Johann König behauptet von sich, Langeweile zu mögen und sie zu genießen. Seinen Lesern billigt er allerdings äußerst kurzweilige Stunden beim Lesen dieses Buches zu. Es ist sehr lustig und dringend zu empfehlen.

Lesen! Und zwar unbedingt und sofort!

Dienstag, 23. August 2016

Flix, Bernd Kissel: Münchhausen

Die Wahrheit übers Lügen

Das nach einem Szenario von Flix alias Felix Görmann von Bernd Kissel gezeichnete Buch enthält eine bezaubernde Münchhausen-Fortsetzung, die im Großbritannien des zweiten Weltkriegs spielt. Ein leicht desorientiert wirkender älterer Herr landet mit einem Ballon auf dem Dach des Buckingham Palast. Seine offensichtlich deutsche Herkunft macht ihn verdächtig. Der Geheimdienst seiner Majestät beauftragt den im britischen Exil lebenden, greisen Siegmund Freud mit einer Befragung des Herrn und fordert eine Einschätzung des Wahrheitsgehaltes seiner aberwitzigen Erzählungen. Und so erfährt Freud von seinem letzten Patienten eine Lebensgeschichte, die ihresgleichen sucht.

Wunderschöne Schwarzweißzeichnungen (die Graustufen gekonnt von Marvin Clifford gestaltet) überwiegen, aber auch einige farbige Sequenzen wurden eingestreut. Fester Einband und hochwertiger Druck runden das Gesamtbild ab. Auch wieder so ein Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte, bevor ich es nicht zu Ende verschlungen hatte.

Lesen und zwar unbedingt und sofort.

Samstag, 20. August 2016

Marvin Clifford: Schisslaweng


...und zwar beide Bände:
  1. Schissla... was?
  2. Locker durch die Hose geatmet
Also eigentlich habe ich gerade gelogen. Die Bände habe ich noch nicht gelesen, sondern nur die Online-Version, wo der begabte Zeichner seit mehreren Jahren wöchentlich eine Episode aus dem Leben eines Comiczeichners den Fans zur Verfügung stellt. Aber gekauft habe ich sie. Ich denke, dass es nur fair ist, solche Produkte zu kaufen und den Zeichner damit zu unterstützen. Auf den ersten Blick fällt die hochwertige Verarbeitung der Büchlein auf. Hardcover, hochwertiger Farbdruck und eine gegenüber den Webcomics veränderte Anordnung der Bilder - kein Wunder, denn die Web-Versionen sind oft hochformatige Rechtecke, diese Bücher sind quadratisch. Die Zeichnungen sind, soweit ich das überhaupt beurteilen kann, für einen Comic teils sehr aufwändig und richtige kleine Kunstwerke. 
Inhaltlich sind die Geschichten fein beobachtete, leicht überspitzte und sehr pointiert erzählte Anekdoten, die mich mehr als einmal zum Lachen gebracht haben. Ach was, seien wir ehrlich: Ich habe mich teilweise weggeschmissen vor Lachen und seinen ganzen Comicblog an einem Stück in mich hineingefressen, als sei draußen schlechtes Wetter. (war es nicht)

Mit einem Wort: Lesen! Und zwar unbedingt und sofort!

Dienstag, 16. August 2016

Johann König: Gestammelte Werke

Bilder - Reime - Emotionen

Dieses erste Buch des Herrn König enthält Texte und Gedichte, die er über Jahre gesammelt und hier zusammengefasst hat. Hintersinnig und leise kommt er daher, der königsche Brachialhumor. Etwa so, als sei John Cleese bei Heinz Erhardt in die Lehre gegangen. Überraschende Assoziationen und anstrengende gedankliche Abschweifungen geben sich die Klinke in die Hand. Wie ein gutes Kochbuch ist auch dieses Werk gewürzt mit Bildern, und zwar aus dem Privatarchiv des Autors. Die werden ausführlich und manchmal auch etwas wirr kommentiert. Ich musste mehrfach laut lachen. Selbst bei meinem Friseur mochte ich es nicht aus der Hand legen, dieses kleine, rote Büchlein.

Muss man nicht lesen, sollte man aber. Und zwar unbedingt und sofort!

Montag, 15. August 2016

Peter Wohlleben: Das Seelenleben der Tiere

Liebe, Trauer, Mitgefühl - erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt

"Ach du Schreck!" wird der geneigte Leser jetzt vielleicht denken. "Diese Gefühle und womöglich auch noch ein seiner selbst bewusstes Denken den Tieren zuzugestehen, das geht nun wirklich zu weit. Vermutlich vermenschlicht der Herr Wohlleben nur und tischt uns dann irgendwelche esoterischen Quark auf."
Aber weit gefehlt! Das geht nicht zu weit! Und gelegentliche Vergleiche mit der menschlichen Gefühlswelt können durchaus helfen, die der Tiere zu verstehen. Tiere haben Gefühle und Bewusstseinsstrukturen, die durchaus vergleichbar sind mit denen des Menschen. Peter Wohlleben belegt seine Thesen akribisch mit journalistischen und wissenschaftlichen Quellen sowie eigenen Beobachtungen an Wild- und Haustieren. Dabei schreibt er durchaus unterhaltsam und verständlich, versteht sich gewissermaßen als Übersetzer wissenschaftlicher Literatur.

Ein tolles Buch. Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Freitag, 5. August 2016

Johann König: Kinder sind was Wunderbares

Das muss man sich nur IMMER WIEDER sagen.

Eltern am Rande des Nervenzusammenbruchs, Väter auf Schlafentzug, kleine Geschwister im "Will auch"-Modus - Johann König kennt das zur Genüge, denn der freischaffende Comedian und Autor hat zusammen mit seiner Frau drei Kinder, deren Aufzucht und Pflege ihn mehr als fordert. Der Alltag der Eltern von Kleinkindern ist nichts für Weicheier, soviel steht fest. König schildert diesen täglichen Irrsinn mit so viel Liebe zum Detail, dass man sich am Ende des Buches nicht sicher ist, was man sich wünschen soll: Eigene Kinder oder lieber doch eine Vasektomie.

In einem Punkt bin ich mir jedoch ganz sicher: Dieses Buch ist zwerchfellerschütternd lustig und sprachlich... ähhh, also rein sprachlich... ähhh, aber so kennt man ihn ja, den Herrn König.

Unbedingt lesen und zwar sofort!
Seine anderen beiden Bücher habe ich mir schon bestellt ;-)

Dienstag, 26. Juli 2016

Frau Freitag: Für mich ist auch die sechste Stunde

Überleben unter Schülern

Seit nunmehr sieben Jahren bloggt unter dem Pseudonym "Frau Freitag" eine Berliner Lehrerin Alltägliches und alltäglich Wahnsinniges. Sie schreibt Geschichten auf, wie sie einem Lehrer nun einmal passieren, vor allem an einer Brennpunktschule in Berlin. Sie berichtet aber auch ganz private Geschichten vom alltäglichen Scheitern. Sie tut das ohne Mitleid zu erwarten und ohne um Beifall zu betteln. Die Geschichten sprechen für sich, sind rühren an oder sind komisch, manchmal auch ein Wenig erschreckend. Und ab und zu fasst sie einige thematisch verwandte Blogeinträge im Zusammenhang mit Pädagogik zu einem Buch zusammen. Diese haben inzwischen an Studienseminaren den Status von Lehrbüchern, denn sie vermitteln so viel mehr alltagstaugliches Handwerkszeug als die Werke der gefeierten Pädagogikpäpste, die selber schon seit Jahrzehnten keine Schule mit Schülern mehr von innen gesehen haben. Ein unterhaltsames und auch lehrreiches Buch, aus dem ich mir eine Menge abschauen konnte, obwohl ich meinen Beruf ja auch nicht erst seit gestern ausübe. Wieder einmal bin ich dankbar, in einem Gymnasium im beschaulichen Neustadt unterrichten zu dürfen und nicht in einer Brennpunktschule einer Großstadt.
Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Sonntag, 24. Juli 2016

Ralf König: Porn Story

Mit sozialethisch desorientierenden Abbildungen von Mahler

Eberhard Schlüter organisiert als Geburtstagsgeschenk für seinen besten Kumpel Fritte die Teilnahme an einem Pornodreh. Die beiden Hormonbolzen reagieren sich so richtig ab, maskiert, wie sich von selbst versteht. Der Film wird durchaus erfolgreich und landet in allen Videotheken. Jahrzehnte später, Eberhard hat inzwischen selber einen Sohn, holt ihn diese Vergangenheit wieder ein. Er hat, und hatte auch damals schon, eine unverwechselbare Tätowierung an markanter Stelle. Seine Frau erkennt ihn daran in dem Film wieder und macht ihm nun die Hölle heiß. Soweit die eher banale Rahmenhandlung. Doch dieses gewohnt liebevoll gezeichnete Comicbuch ist weit mehr. Anhand exemplarischer Lebensgeschichten setzt sich der Autor mit dem Phänomen Pornografie auseinander. Was treibt Männer dazu, sich die Bilder und Filme von Nackten gleich gigabyteweise auf die Computerfestplatte zu schaufeln bzw. kistenweise DVDs, VHS-Kassetten oder Super-8-Filme zu sammeln. Warum haben sich italienische Kaufleute in der Renaissance Ölgemälde leicht bekleideter Damen an die Wände gehängt, warum ließen sich römische Edle mit obszönen Mosaiken das Bad fliesen oder warum formten in der jüngeren Altsteinzeit (vermutlich männliche) Hände die Venus von Willendorf?
Alice Schwarzers Sichtweise der Dinge ist bekannt. Ob sie nach ihrer Steueraffäre noch für sich in Anspruch nehmen darf, eine moralische Instanz zu sein, darf bezweifelt werden. Nun äußert sich ein Autor zu diesem Thema, der eine ganz andere Blickrichtung hat. Eine zweifellos männliche Perspektive, aber ob seiner Homosexualität zumindest gegenüber der heterosexuellen Pornografie eher neutral. Interessant ist das auf jeden Fall. 
So ganz nebenbei dokumentiert Herr König auch noch in einer Art "making of" die Entstehung dieser Comic-Kollaboration zwischen ihm und dem Zeichner Mahler. 
Kein Kinderbuch, aber lesenswert. Alle verfügbaren Daumen nach oben.
Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Montag, 18. Juli 2016

Dennis Gastmann: Mit 80.000 Fragen um die Welt

"Ein Reporter reist mit Zuschauerfragen um die Welt.", und ein großer, unbenannt gebliebener Fernsehsender aus Norddeutschland bezahlt. So hatte er sich das fein ausgedacht, der Herr Gastmann. Leicht verdientes Geld und dazu noch Weltreise und Spesen. Aber er hatte nicht mit Frau Brunkhorst gerechnet. Wilma Brunkhorst lebt in einem kleinen Dorf in der Nähe von Hamburg, ihre gute Stube ist eingerichtet in Eiche brutal und sie isst gerne gute Butter. Über soziale Medien hatte der Journalist schon hunderte Zuschauerfragen gesammelt wie "Kann man im Vatikan Kondome Kaufen?" oder "Wie schön ist Panama?". Und jetzt schickt ihn sein Sender noch zu Frau Brinkhorst, die keine sozialen Medien verwendet, aber auch Zuschauerin ist. Und die Welt vielleicht anders sieht als ein pickliger Nerd, der den ganzen Tag vor seinem Rechner abhängt und 1000 Freunde bei Facebook hat. Frau Brunkhost gibt ihm noch ein paar Fragen mit auf den Weg, die sich der Autor in Zeiten der political correctness kaum zu stellen wagt: "Warum ist der Neger schwarz?" oder "Ist der Franzose wirklich so schmutzig, wie es manche Leute im Dorf behaupten?", um nur zwei Beispiele zu nennen.
Was nun folgt ist ein wahres Roadmovie, wie man es von Herrn Gastmann gewohnt ist: Sprachlich brillant und manchmal etwas schnodderig erzählt der Reporter vom Ku-Klux-Klan-Chef, bei dem er sich persönlich danach erkundigt hat, ob der denn auch schwarze Freunde hat. Er nimmt uns mit auf seine Fahrt mit dem Beschneidungszug durch Istanbul und erkundigt sich nach der Notlage der Niederlande, und zwar bei Frau Antje persönlich.
Ein überaus unterhaltsames Buch, das ich bedingungslos empfehle. Fragt sich nur, was ich als Nächstes lesen kann, jetzt, wo ich doch die wunderbaren Bücher des Herrn Gastmann alle in mich hineingefressen habe.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Montag, 11. Juli 2016

Dennis Gastmann: Der Gang nach Canosssa

Dennis Gastmann schnürt in seiner Hamburger Wohnung sein Bündel und begibt sich auf den Spuren Heinrich des vierten auf den Weg. Nach Canossa. Zu Fuß.
Wer jetzt eine Pilgerreise mit Blood, Sweat and Tears erwartet, wird sicher nicht enttäuscht, denn auch das kommt vor, wenn man die Alpen auf zwei Beinen überquert. Im Mittelpunkt der äußerst vergnüglich zu lesenden Erzählung stehen jedoch vor Allem die vielen Begegnungen mit den Menschen auf dieser Wanderung: Zufallsbekanntschaften, Herbergsbesitzer, Wanderführer oder sonstige temporäre Weggefährten. In seinem unnachahmlichen, ironisch-lakonischen Stil schlägt Gastmann den Leser bereits bei der ersten dieser Begegnungen (Herr Römer aus der Nachbarwohnung) in seinen Bann und lässt uns nicht mehr los bis zum Castello Canossa.
Ein tolles Buch! Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Samstag, 2. Juli 2016

Dennis Gastmann: Geschlossene Gesellschaft

Auch für dieses Buch unternimmt Herr Gastmann eine für den Leser vergnügliche Reise. Dieses Mal jedoch fährt er auf einen anderen Planeten. Den Planet der Superreichen. Der befindet sich zwar auf der Erde, unterscheidet sich aber derart von der Welt wie wir sie kennen, dass man hier durchaus von einem Paralleluniversum sprechen kann, einer Art"Erde zwei". Wie lebt es sich, wenn Geld keine Rolle mehr spielt. Welche Sorgen hat man, wenn man sich um nichts mehr sorgen muss? Welche Ziele hat vor Augen, wer bereits alles erreicht hat?
Sprachlich ein Hochgenuss - unbedingt lesen, und zwar sofort!

Mittwoch, 15. Juni 2016

Dennis Gastmann: Atlas der unentdeckten Länder

Kenne Sie Transnistrien? Oder haben Sie Karakalpakstan schon einmal bereist? Oder Pitcairn? Akhzivland? Ladonien? Palau? Dennis Gastmann kennt sie alle, denn er begibt sich für dieses Buch auf eine merkwürdige Weltreise: Er besuchte Länder, die in keinem Atlas zu finden sind, auf keinem Globus je eingezeichnet wurden. Sei es eine vergessene Hippierepublik, die in Kalifornien durch ein skurriles Gerichtsurteil eine Art Autonomiestatus erhalten hat, sei es die Inselrepublik, die einst durch die Bounty-Meuterer gegründet wurde. Die ist zwar offiziell britische Kronkolonie, liegt aber so weit ab vom Schuss, dass das dort niemanden interessiert. Er trifft seltsame Leute, überschreitet Grenzen, die offiziell nicht existieren und erlebt dabei irrwitzige Geschichten, die er uns in einer geschliffenen, fast schon altmodischen Sprache erzählt.

Sehr zu empfehlen, unbedingt lesen und zwar sofort!

Donnerstag, 2. Juni 2016

Lilo Beil: Vielleicht auch träumen

Mit Schrecken findet die ehemalige Lehrerin Charlotte Rapp in einer Todesanzeige den Namen einer früheren Schülerin. Sie mochte das sensible Mädchen ebenso wie den ganzen Englisch-Leistungskurs dieses Abiturjahrgangs, mit dem sie sogar auf Abschlussfahrt in England war. Deshalb besucht sie selbstverständlich die Beisetzung der jungen Frau. Dort trifft sie mehrere Schüler aus diesem Kurs, nun deutlich gereift und erwachsen. Auch Hauptkommissar Guldner, ein alter Bekannter aus einem früheren Fall, begegnet ihr dort. Durch ihn erfährt sie, dass es Hinweise auf Fremdeinwirkung beim vermeintlichen Unfalltod von Cornelia gibt. Der verwitwete Kommissar und Charlotte kommen sich näher, und so wird sie schließlich Teil der polizeilichen Ermittlungen.

Sprachlich hervorragend erzählt Frau Beil die komplexe und spannende Geschichte gekonnt aus allen erdenklichen Perspektiven und nimmt einen dabei völlig gefangen. Ihre Protagonistin wirkt absolut glaubwürdig, nicht zuletzt weil Frau Beil ihren früheren Beruf selbst jahrzehntelang ausgeübt hat. Sicher lässt sie hier eigene Erfahrungen einfließen, und das ist auch gut so. Ein tolles Buch, das ich während einer langen Zugfahrt in einem Rutsch in mich hineingefressen habe ohne zu kauen.
Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Mittwoch, 1. Juni 2016

Jens Lossau, Jens Schumacher: Die Wüstengötter

Bei der Erforschung eines uralten Tempels in den weiten Wüsten des Ostreichs Yaget'pen kommt ein Wissenschaftler auf denkbar bizarre Art zu Tode: Im werden bei lebendigem Leib sämtliche Knochen entnommen, und zwar ohne sichtbare Verletzung der Haut. Obwohl Meister Hippolit bei seinem letzten Abenteuer seiner thaumaturgischen Fähigkeiten beraubt wurde, baut das IAIT auf die ermittlerischen Fähigkeiten ihres besten Agenten und betraut ihn und seinen Partner Jorge mit dem Fall. Als Unterstützung stellt man ihnen die überaus begabte Thaumaturgin Magistra Iloven zur Seite. Balls stellt sich heraus, dass es sich nicht um einen einzelnen Fall handelt. Die Tötung des Altertumsforschers ist vielmehr Teil einer sehr langes Mordserie, die viele tausend Jahre zurück reicht.
Die Kombination aus einen Ermittler, der im Körper eines pubertierenden Knaben gefangen ist, und einem rüpelhaften Troll an seiner Seite ist unschlagbar. Und zwar nicht nur als Ermittlerteam, sondern auch als literarische Figuren. Die Romane der Herren Lossau und Schumacher sind lustig, spannend und geistreich. Wer Fantasy-Literatur mag, die das Genre nicht bierernst nimmt, sollte diesen Roman unbedingt lesen. Und zwar sofort!

Donnerstag, 19. Mai 2016

Jens Lossau, Jens Schumacher: Der Knochenhexer

Vier vollständige Skelette von Urzeitechsen werden auf geheimnisvolle Weise aus dem naturhistorischen Museum von Nophlet entwendet. Ein Angestellter des Museums kommt dabei ums Leben. Doch das ist erst der Anfang. Nophlet wird von riesigen Echsen angegriffen, die keinem bisher bekannten Fossil entsprechen. Ganze Stadtteile werden verwüstet und viele Bürger kommen ums Leben. Meister Hippolit und sein Assistent, der Troll Jorge, ermitteln im Namen des IAIT.
Was Jens Lossau und Jens Schumacher mit ihren IAIT-Romanen vorlegen ist nicht mehr und nicht weniger als die inoffizielle Fortsetzung der Scheibenwelt-Romane des unlängst verstorbenen Großmeisters der ironisierenden Fantasy-Literatur. Intelligent geschrieben, sehr lustig und trotzdem spannend. Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Montag, 16. Mai 2016

Orkide & Orhan Tançgil, Katharina Seiser (Hrsg.): Türkei Vegetarisch

In der Türkei werden traditionell Rezepte von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Dies geschieht mündlich, nichts wird aufgeschrieben. Orkide und Orhan Tançgil haben diese Tradition durchbrochen und traditionelle Familienrezepte systematisch dokumentiert. Dass dabei ein dickes vegetarisches Kochbuch zustande gekommen ist, überrascht sicher nicht nur mich. Appetitanregende Bilder zu jedem Rezept runden dieses wunderschöne Kochbuch ab.
Nachkochen!

Mittwoch, 27. April 2016

Sebastian Fitzek: Das Joshua Profil

Max hatte als Schriftsteller mit seinem Debütroman einen großen Erfolg zu verbuchen. Doch danach: wie abgeschnitten. Niemand will seine Bücher noch lesen. So lebt er ein bescheidenes und gesetzestreues Leben und kümmert sich liebevoll um seine Pflegetochter. Bis eines Tages eine Beamtin des Jugendamtes vor der Türe steht, um sein Leben zu zerstören. Zu allem Überfluss macht auch noch sein Bruder Cosimo auf. Dieser sollte sich als verurteilter Pädophiler eigentlich in der Sicherheitsverwahrung einer psychiatrischen Anstalt befinden. Nun scheint er ein Auge auf Max Pflegetochter geworfen zu haben. Es folgt eine wahre Achterbahn der Angst, Verfolgung, Flucht und Panik.
Ein unglaublich spannender Psychothriller, den zu lesen ich dringend empfehle. Und zwar sofort!

Samstag, 9. April 2016

Armin Himmelrath: Hausaufgaben - nein Danke!

Was der studierte Lehrer und Journalist in seinem Buch zusammenträgt, ist nicht mehr und nicht weniger als eine Kampfansage an einen Institution im deutschen Bildungswesen: die Hausaufgaben. Akribisch trägt er aus wissenschaftlicher und journalistischer Literatur Belege zusammen, die seine Thesen stützen:

  • Hausaufgaben sind in fast allen Fächern unwirksam im Sinne einer Vertiefung von Lernstoff und dem Einüben selbständigen Arbeitens,
  • Hausaufgaben führen zu einer sozialen Selektion an den Schulen, indem sie die Schülerinnen und Schüler mit den ohnehin schon besseren Voraussetzungen bevorzugen,
  • Hausaufgaben verführen zu Betrug und Lügen.

Himmelrath argumentiert schlüssig und belegt seine Aussagen. Er analysiert genau, in welcher Weise Hausaufgaben Unfrieden in die Familien bringen und schlägt andere Organisationsformen von Schule vor, die diese schädlichen Effekte nicht haben. Ganz nebenbei erklärt er auch noch das bestehende Benotungssystem und das Sitzenbleiben für schädlich und reformbedürftig.

Schon seit meinem Referendariat hatte ich immer wieder das Gefühl, dass in dem Schulsystem in dem ich arbeite, irgendetwas nicht stimmt. Dieses Buch habe ich deshalb mit großem Interesse gelesen. Ich empfehle es allen Kolleginnen und Kollegen sowie Eltern zur Lektüre. Selbst wenn man am Ende nicht mit den Schlussfolgerungen des Autors übereinstimmt, so helfen seine Analysen dennoch, mögliche Fehler im System Schule zu finden und zu vermeiden.

Samstag, 2. April 2016

Carsten Sebastian Henn: Das Apfelblütenfest

Zufällig entdeckt Lilou, eine unangepasst lebende junge Heilpraktikerin, eine Stellenanzeige, die der kleine Jules Lignier in die Rinde eines alten Apfelbaums geritzt hat. Dieser sucht eine Haushälterin für seinen verwitweten Vater, dem das Leben über den Kopf zu wachsen droht und der das Glück verloren hat. Da es in ihrer Praxis zur Zeit nicht so gut läuft, und weil ihr die Worte des Jungen so zu Herzen gehen, bewirbt sie sich noch am selben Tag auf diese Stelle. Was sie nicht weiß ist, dass zwischen dem Einritzen der Annonce und ihrer Bewerbung Jahrzehnte liegen. Der verwitwete Vater ist längst gestorben, und der Hausherr bei dem sie nun vorspricht, ist der ehemalige kleine Junge der die Anzeige aufgegeben hatte und sich nun kaum noch daran erinnert. Jules ist inzwischen anstelle seines Vaters der Leiter eines großen Betriebes in der Bretagne, der Äpfel zu Cidre und Calvados für den internationalen Markt verarbeitet. Auch Jules hat Sorgen, und da vielen Menschen in seinem Umfeld diese Sorgen bekannt sind, raten Freunde und Bekannte dem mürrischen Junggesellen, die entzückende Lilou als Haushälterin einzustellen. Es entspinnt sich nach und nach eine Liebesgeschichte, die aber sogleich von einem grauenvollen Schicksalsschlag überschattet wird.

Carsten Sebastian Henn, sonst eher bekannt für Krimis mit kauzigen Protagonisten und/oder leckeren Gerichten, steigt hier in ein völlig anderes Genre ein. Er tut dies mit Bravour, und was dabei herauskommt ist ganz großes (Kopf-)Kino. Ein hinreißender Roman.

Lesen! Und zwar unbedingt und sofort.

Freitag, 18. März 2016

Markus Guthmann: Weinstraßenrache

Es weihnachtet sehr. Oberstaatsanwalt Röder hetzt mit seiner Familie geschäftig von einem Weihnachtsmarkt zum nächsten. Dabei wird es immer gemütlicher, bis der Fund eines ermordeten Weihnachtsmanns eben diese Gemütlichkeit empfindlich beeinträchtigt. Erneut kann Röder seine Neugierde nicht bezwingen und beginnt auf eigene Faust mit Ermittlungen. Gleich zwei heiße Spuren, eine ins Drogenmilieu, die andere in den Sumpf deutsch-deutscher Vergangenheit, sind erfolgversprechend. Und gefährlich, wie Röder bald erfährt.

Ein spannendes Buch mit viel authentischem Lokalkolorit.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Sonntag, 13. März 2016

Moritz Freiherr Knigge: Anleitung zum Unhöflichsein

Sehr netter Happen zwischendurch: In kurzen, überspitzt formulierten Statements und Anekdoten erklärt Herr Knigge, anders als sein berühmter Ahne, wie man es NICHT machen soll. Dadurch regt er zum Nachdenken und zur Reflexion des eigenen Verhaltens an, ohne starre Verhaltensregeln zu geben. Er bleibt stets eloquent und witzig. Sehr zu empfehlen. Lesen, und zwar sofort!

Dienstag, 1. März 2016

Katrin Bauerfeind: Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag

Geschichten vom schönen Scheitern
"Klar, auch ich komme mitunter nach Hause, und der Kühlschrank ist so leer wie das Bett und die Wohnung ruhig. Die Stille einer leeren Wohnung ist der Soundtrack des Singlelebens. Nicht immer ein Hit. Dann ist nichts zu hören als der eigene Herzschlag. Und sein eigenes Herz muss man erst mal aushalten. Das Glück ist ein scheuer Geselle."
Auch das Debütwerk von Frau Bauerfeind ist sehr unterhaltsam. Es verrät etwas mehr über die Herkunft der Autorin als das zweite Buch, und ab und zu blitzt eine Weisheit zwischen den Zeilen hindurch, die man einem so jungen Menschen spontan gar nicht zutrauen würde. Ein tolles und lustiges Buch!
Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Sonntag, 21. Februar 2016

Katrin Bauerfeind: Hinten sind Rezepte drin

Geschichten, die Männern nie passieren würden
"Das erste Buch Katrin: Die Welt ist weiblich. Guckt euch an, wie schön sie ist. Da hat auf jeden Fall eine Frau ihre Hände im Spiel gehabt. Oder ein Schwuler. Hetero-Männer richten ihre Wohnungen bis heute weiß, karg und ungemütlich ein. Warum sollte das vor einer Ewigkeit anders gewesen sein. Kein Mann käme auf die Idee, einen Schmetterling zu erfinden oder einen Sonnenuntergang. Ein Mann würde einfach das Licht ausmachen. Gott also war eine Frau. Sie hieß Brigitte. Brigitte Gott. (...)"
Was Frau Bauerfeind in ihrem zweiten Buch an abstrusen Geschichten zusammengetragen hat und in ihrem unvergleichlichen und leicht schnodderigem Schreibstil erzählt, ist in höchstem Maße unterhaltsam und sehr, sehr lustig. Und hinten sind natürlich keine Rezepte drin. Und viele der Geschichten könnten durchaus auch Männern passieren.
Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Dienstag, 9. Februar 2016

Wolfgang Schorlau: Die schützende Hand

Denglers achter Fall
Ein unbekannter Auftraggeber beauftragt Dengler mit Ermittlungen im Fall des NSU. Er solle herausbekommen, was wirklich hinter den Toden von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos steckt. Eigentlich hat Dengler keine Lust, diesen Fall noch einmal aufzurollen. Doch wegen seines chronischen Geldmangels nimmt er den großzügigen Vorschuss an und ermittelt zunächst lustlos. In einem ersten Zwischenbericht bestätigt er seinem Auftraggeber zunächst die offizielle Version des Selbstmordes der beiden Terroristen, räumt aber ein, dass ihm gewisse Widersprüche bei der Rekonstruktion des Tathergangs aufgefallen seien. Diese müsse er noch aufklären. Er verbeißt sich immer tiefer in die Ermittlungen, und deckt schließlich Ungeheuerliches auf.

Auch der achte Roman von Herrn Schonlau ist toll recherchiert, sprachlich auf hohem Niveau und spannend bis zum Abwinken. Dass sich in der letzten Zeit Hinweise verdichten, dass die tatsächlichen Abläufe der Romanhandlung erschreckend ähnlich sind, macht das Buch nur noch spannender.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Samstag, 6. Februar 2016

Ildefonso Falcones: Die Pfeiler des Glaubens

Hernando Ruiz lebt in zwei Welten: Nach außen hin bemüht er sich, den christlichen Glauben zu praktizieren und zu lernen. Im Andalusien des 16. Jahrhunderts ist das für ihn überlebenswichtig, denn er ist ein Nachfahre der ehemaligen muslimischen Herrscher Spaniens, und die spanische Inquisition beobachtet diese "Neuchristen" - zwangsbekehrte Muslime - argwöhnisch. Heimlich aber versuchen die Morisken, ihren Glauben nicht zu vergessen. Sie praktizieren ihre Sitten und Gebräuche heimlich und in dem Maß, das diese Heimlichkeit zulässt. Hernando ist jedoch nicht nur bei den katholischen Spaniern ein Außenseiter. Auch die unterdrückten Muslime sehen in ihm kein vollwertiges Gemeindemitglied, denn seine Mutter wurde seinerzeit von einem Priester vergewaltigt. Hernando trägt deshalb das Stigma leuchtend blauer Augen.
Irgendwann kommt es zum Moriskenaufstand, und eine neuer muslimischer König wird gekrönt. Alles verändert sich.

Auch dieser zweite Roman von Ildefonso Falcones ist brillant recherchiert, von epischer Länge und vor Allen eines: spannend bis zum Nägelabkauen.
Ein tolles Buch! Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Sonntag, 24. Januar 2016

Ildefonso Falcones: Die Kathedrale des Himmels

Arnau Estranyols Leben scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Gezeugt wurde er 1320 bei einer Vergewaltigung. Seine Mutter wurde nach seiner Geburt  als Amme auf die Burg des Grundherren genötigt, dort so oft vom Ritter und seinen Soldaten bedrängt, dass sie sich schließlich nicht mehr um das Kind kümmern konnte. Sein Vater befreit den fast schon verhungerten Arnau und flieht nach Barcelona. Dort versteckt er sich bei einem Verwandten, der ihm Brot und Arbeit gibt. Arnau wächst in der Hoffnung auf, eines Tages Bürger der Stadt zu werden. Die Grausamkeiten in seinem Leben haben jedoch erst begonnen. Doch er ist ein freundlicher und furchtloser Bursche, arbeitet fleißig und gewinnt Freunde. Nach und nach beginnt sein Aufstieg zu einem der mächtigsten Männer Barcelonas.

Ein spannender, akribisch recherchierter historischer Roman, den zu Lesen mir große Freude bereitet hat. An dieser Stelle möchte ich deshalb dem lieben Kollegen herzlich danken, der mir das Buch völlig unverhofft auf den Schreibtisch gelegt und geschenkt hat.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort.

Ich werde gleich morgen mit dem Buch zum Bücherdealer meines Vertrauens gehen, damit er mir alle anderen Werke dieses Autors besorgt.