Freitag, 28. April 2017

Sebastian Fitzek: Achtnacht

Benjamin Rühmanns Leben liegt in Trümmern. Seine Tochter hat durch einen Autounfall an dem er nicht unschuldig ist, beide Unterschenkel verloren. Die Band von der er sich getrennt hatte, wurde einen Monat nach dieser Trennung unglaublich erfolgreich. Seine Frau will nicht mehr mit ihm zusammen sein. Die Tanzkapelle, mit der er versucht, sich finanziell durchzuschlagen, hat ihn gefeuert. Unterhalt für seine Familie oder gar notwendige medizinische Behandlungen für sein Kind kann er nicht mehr bezahlen. Man möchte meinen, es könnte nicht mehr schlimmer kommen.

Aber weit gefehlt: Sein Name wird gezogen in einer bizarren Lotterie: Wer ihn in einer bestimmten Nacht, der Achtnacht, tötet, gewinnt zehn Millionen Euro. Straffreiheit wird zugesichert. Außerdem landen im Internet noch Gerüchte um seine angebliche Pädophilie, kurz: Schlagartig ist dem Schlagzeuger ein wütender Mob auf den Fersen, der ihm nach dem Leben trachtet.

Ein bis zum Nägelabkauen spannender Thriller. Perfide gestrickte Handlung, ungewöhnliche Wendungen und Überraschungen bis zum letzten Kapitel.

Unbedingt lesen, und zwar sofort!

Mittwoch, 19. April 2017

Lilo Beil: Eine feste Burg

Friedrich Gontard, der ehemalige Leiter der Kripo Ludwigshafen, hat seit seiner Pensionierung viel Zeit, sich zusammen mit seiner Frau Anna um das geliebte Enkelkind zu kümmern. Und die beiden machen das, was Großeltern halt so mit Enkeln tun: Sie verwöhnen das Kind im besten Sinne, toben viel mit dem Kind herum und machen lange Spaziergänge. Bei einem dieser Spaziergänge treffen Sie in der Nähe der Burg Landeck an der südlichen Weinstraße auf einen alten Mann, der Anna an ihren ehemaligen Religionslehrer erinnert. Er ist aber viel zu sehr in ein Buch vertieft, um auf den Gruß des Großelternpaares zu reagieren. Wenig später ist der Mann tot. Die polnische Pflegerin des Demenzkranken, der sich tatsächlich als Annas ehemaliger Religionslehrer entpuppt, wird sofort beschuldigt, diesen Mord durch Fahrlässigkeit erst ermöglicht zu haben. Doch niemand ist wirklich traurig ob des Todesfalls. Im Gegenteil: Offen geben Menschen aus dem Umfeld des ehemaligen Pädagogen ihre Erleichterung zu. Beliebt war er nicht, der Verblichene.

In einem äußerst spannenden Roman thematisiert die Autorin Aktuelles aus unserer Gesellschaft. Und ich meine damit nicht einmal die vielen, interessanten Bezüge zum Luther-Jahr. Es geht um den Pflegenotstand in unserer immer älter werdenden Bevölkerung, um Fremdenfeindlichkeit und um die unbewältigte braune Vergangenheit in der Pfalz. Sprachlich von gewohnter Qualität, liest man das Buch gerne und möchte es einfach nicht mehr aus der Hand legen.

Nur eines gefällt mir nicht an der Geschichte: Das ist das mit jedem Roman dieser Reihe rasant steigende Alter des Ermittlers. Ich weiß nicht, wie lange Frau Beil Friedrich Gontard noch glaubwürdig auf Verbrecherjagd schicken kann. Und er ist mir wirklich ans Herz gewachsen. Ich wünsche mir noch viele Fortsetzungen mit diesem Ermittler.

Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Freitag, 14. April 2017

Ulrich Magin: Skurriles aus der Pfalz

Seit nunmehr 18 Jahren lebe ich in der Pfalz. Ich dachte wirklich, mir könnte niemand mehr etwas beibringen, wenn es um die Pfalz geht. Inzwischen habe ich auch dem einen oder anderen gebürtige Pfälzer auf geographisch-touristischer Weise zeigen können, wo der Barthel de Most holt. Und das ist auch gut so! Immerhin lese ich so ziemlich alles, was mir über die Region, in der ich gerade lebe, in die Hände fällt. Und in der Pfalz lebe ich jetzt schon lange, der Pfalz-bezogene Teil des Bücherschranks ist entsprechend gewichtig. Ich würde mich blöd fühlen, wenn es anders wäre.

Aber nach der Lektüre dieses Buches fühle ich mich blöd. Nicht alles, was ich hier gelesen habe, überraschst mich, aber doch Einiges. Dieses Buch ist nicht mehr und nicht weniger als das  "A" bis "Z" der Kuriositäten der Pfalz. Akribisch und sachkundig trägt der Autor Seltsames und Merkwürdiges aus der Pfalz zusammen und verpackt es in ein unterhaltsames und sehr kurzweiliges Büchlein. Von diesem Stoff will ich mehr!

Einziger Wermutstropfen: Die Aufbereitung der zahlreichen Fotos für den Schwarzweißdruck sowie das Layout des Buches hätte man besser Profis überlassen.

Wer davon abstrahieren kann: Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Dienstag, 11. April 2017

DuMont Bildatlas - Pfalz

Wo Frankreich nahe ist

Auch wenn es sich bei diesem Bildatlas "nur" um eine Zeitschrift handelt, so ist er doch verblüffend edel aufgemacht. Der Einband ist aus festem Karton hergestellt und das Layout ist sehr ansprechend gestaltet. Das gibt dem Bildatlas etwas Wertiges. Der Inhalt ist sinnvoll und logisch strukturiert, immer wieder sind zur besseren Orientierung Karten eingestreut. Alle Artikel wurden mit hervorragenden Fotografien illustriert. Es ist ein Genuss, dieses Heft durchzublättern.

Dass dieser Bildatlas nunmehr in der dritten Auflage erscheint, tut dem Werk keinen Abbruch. Ich kann es auf jeden Fall sehr zur Lektüre empfehlen. Nur wer die erste oder zweite Auflage bereits besitzt, sei gewarnt: So viel neues steht nicht drin - lohnt sich nicht.

Ich habe an anderer Stelle bereits versprochen, dass ich hier nur solche Bücher bespreche, die ich auch wirklich empfehlen kann. Auch den DuMont Bildatlas "Pfalz" kann ich empfehlen. Dennoch sind mir ein paar Details aufgefallen, die mir nicht gefallen haben. Und das ist bei der dritten Auflage eines solchen Werkes ein Wenig ärgerlich. Mir ist bewusst, dass der Pressemarkt hart umkämpft ist und dass deshalb an allen Enden gespart wird. Ein Lektorat findet nicht mehr statt.

#168
Über Tippfehler kann ich deshalb hinwegsehen, auch wenn ich nicht verstehe, wie es passieren kann, dass im gleichen Artikeln in der ersten Auflage richtig "Altpörtel" steht, in der dritten aber nur das verstümmelte "Altpör".

Auch dass der Domnapf in Speyer nach wie vor zu gegebenem Anlass mit Wein gefüllt wird - man hat dafür in jüngster Zeit eigens einen hygienischen Kunststoffeinsatz maßgefertigt - finde ich nicht so bedeutsam. Wenn ein Tourist es trotz gegenteiliger Informationen aus dem DuMont-Reiseverlag dennoch erlebt, wird er freudig überrascht sein.

Dass man die Menschen aus Neustadt "Neustadter" nennt - so steht es im Duden und so wird es in jedem Neustadt des deutschsprachigen Raums gehandhabt - und nicht "Neustädter" wie bei DuMont geschehen, ist ein häufig gemachter Fehler und deshalb verzeihbar.

Aber wenn bei geographischen Fakten geschludert wird und falsches Halbwissen in die Köpfe der Leserschaft gepflanzt wird, dann rollen sich dem Geographen in mir die Fußnägel auf. Der klimatische Gunstraum an der Weinstraße entsteht nicht deshalb, weil "der Pfälzer Wald ihn vor kalten Westwinden schützt". Das ist barer Unsinn, und zwar gleich zweifach:
  1. Es gibt keine kalten Westwinde. In unseren mittleren Breiten sind Westwinde maritim beeinflusst, und somit im Winter warm und feucht. Wenn es im Winter kalten Wind geben sollte, dann kommt der aus Osten oder Norden.
  2. Im Sommer sind die Westwinde auf der Westseite des Gebirges tatsächlich zunächst etwas kühler, aber ebenfalls feucht. Und genau deshalb entsteht am Pfälzer Wald ein leichter Föhneffekt, bei dem sich die Luft beim Absinken auf der Ostseite des Gebirges trockenadiabatisch erwärmt. Dadurch lösen sich Wolken auf und die Sonneneinstrahlung nimmt zu, was die Erwärmung der Luft weiter vorantreibt.
Und das ist kein Geheimwissen, das kann man in jedem Rheinland-pfälzischen Erdkundebuch der Mittel- und Oberstufe nachlesen.

So edel der Bildatlas in der dritten Auflage auch aussieht, hätte ich mir doch etwas mehr Sorgfalt beim Inhalt gewünscht. Der Mitbewerber Jahreszeiten-Verlag macht mit seinem aktuellen Merian-Heft zum gleichen Thema vor, wie das geht.

Sonntag, 9. April 2017

Merian - Pfalz

Bereits zum vierten Mal widmet der Jahreszeiten-Verlag eine Ausgabe seiner Reisezeitschrift "Merian" meiner Wahlheimat. Für mich ist das ein Grund, mir dieses Heft einmal ganz genau anzuschauen. Hat sich seit der letzten Ausgabe "Merian - Pfalz" so viel verändert, dass es sich lohnt, nur neun Jahre später wieder ein Heft dieser Region zu widmen? Wurde vielleicht im letzten Heft so viel weggelassen? Oder ist diese Ausgabe nur ein zweiter Aufguss des 2008er-Exemplars?

Ich lebe inzwischen seit 18 Jahren hier und bilde mir ein, dass ich mir deshalb ein Urteil erlauben kann. Neustadt ist ohne Unterbrechungen länger mein Domizil, als ich in jeder anderen Stadt ohne Unterbrechungen gewohnt habe. Seit 1999 vermeide ich konsequent jede private Fernreise. Ich lebe in einer Gegend, in die Menschen reisen, um Urlaub zu machen. Warum sollte ich also ausgerechnet in den Ferien auf die Idee kommen, diese herrliche Landschaft zu verlassen? Ausgerechnet dann fliehen, wenn die Natur brummt, das Wetter am schönsten ist und die Leute am entspanntesten drauf sind? Wie blöd wäre das denn?

Und weil ich seit 1999 in jedem Sommer meine Ferien auf dem Rücken meiner 75 Pferde durch die Pfalz reitend verbringe, bin ich immer auch auf der Suche nach Anregungen für Ausflüge. Die erhoffte ich mir von diesem Merian-Heft, und deshalb beantworte ich jetzt auch die Fragen, die ich im ersten Absatz dieses Blogeintrags aufgeworfen habe:
  • Nein, soviel hat sich nicht geändert, aber etwas schon.
  • Ja, im letzten Heft wurde irre viel weggelassen. Die Pfalz ist in jeder Beziehung so vielfältig, dass sie sich nicht in knapp 150 Zeitschriftenseiten erschöpfend darstellen lässt. 
  • Nein, das Heft ist absolut kein zweiter Aufguss der 2008er-Ausgabe. 
Das Heft ist vielmehr ein äußerst gelungener "Band 2" der 2008er-Ausgabe. Wer die bereits besitzt, sollte das aktuelle Heft unbedingt auch kaufen. Es enthält viele neue Ausflugsziele und bebildert diese wunderschön. Die Autoren - einige von ihnen sind gebürtige Pfälzer - haben liebevoll und sorgfältig recherchiert. An (hochdeutscher und pfälzischer) Sprachkompetenz mangelt es ihnen nie und deshalb ist es auch ein pures Vergnügen, sich durch dieses Heft zu schmökern. Dass am Ende noch verschiedene Touristikverbände der Region reich bebilderte und sehr informative Anzeigen geschaltet haben, erhöht den praktischen Nutzwert der Zeitschrift noch. Es kommt selten vor, dass ich dem Anzeigenteil einer Zeitschrift meine Aufmerksamkeit widme - hier habe ich es gerne getan. Was ich besonders sympathisch finde: Einer der Autoren kommt zu dem Schluß, dass die von irgendeinem Tourismusmenschen erfundene Bezeichnung "die Toscana Deutschlands" im Grunde genommen eine Beleidigung darstellt. Liebe Toscana: Bitte nicht beleidigt sein. Aber die Pfalz hat es gar nicht nötig, sich als zweiten Aufguss einer anderen Landschaft in Europa zu verkaufen. Es ist so einmalig hier, die Gegend hat einen so eigenständigen Charakter, dass es schlicht "die Pfalz" ist. Punkt!

Also erhebt das Schoppenglas, alle verfügbaren Daumen nach oben: Lesen, und zwar unbedingt und sofort!

Sonntag, 2. April 2017

Rebecca Skloot: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Die Geschichte der HeLa-Zellen

Henrietta ist gerade 31 Jahre jung, als sie wegen eines Knotens am Gebärmuttermund den Gynäkologen aufsucht. Der Arzt entnimmt eine Gewebeprobe, um sie im Labor untersuchen zu lassen. Schließlich wird bei ihr Gemärmutterhalskrebs diagnostiziert. Verschiedene Therapien werden versucht, doch der Krebs wächst derart aggressiv, dass er Henriettas Immunsystem schließlich besiegt. Unter entsetzlichen Schmerzen stirbt die junge Frau. Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass ihr ganzer Körper mit Metastasen durchsetzt war. Dies alles geschah im Jahr 1951. 


Die Gewebeprobe, die man ihr bei der Untersuchung entnommen hatte, macht jedoch eine ganz eigene Karriere. Es ist die erste menschliche Zelllinie, bei der eine Dauerkultur im Reagenzglas gelingt. In den folgenden Jahrzehnten werden mit den unsterblichen Zellen der Henrietta Lacks diverse medizinische Fortschritte erzielt. Die HeLa-Zellen spielten eine wichtige Rolle bei der Erforschung von Krebs und AIDS, ersetzten zahlreiche Tierversuche bei der Entwicklung von Medikamenten und Kosmetika und wurden schließlich auch in der biologischen Grundlagenforschung unentbehrlich. Weltweit sind heute ca. 11000 Patente angemeldet, die unter Verwendung der HeLa-Linie entwickelt wurden, die Gewinne mit den daraus entwickelten Produkten erzielt werden, liegen im mehrstelligen Millionenbereich, wenn nicht sogar noch höher. Ihre Familie hat von diesem Geld nie etwas gesehen. Erst Jahrzehnte nach dem Tod von Henrietta Lacks erfahren ihre Kinder aus den Medien von der Bedeutung dieser Zellen. 


Rebecca Skloot, Sachbuchautorin und Wissenschaftsjournalistin, versuchte sich im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausend an einer Analyse dieser Geschichte. Sie suchte den Kontakt zur Familie von Henrietta Lacks, erforschte Krankenakten und Forschungsberichte. Was sie zu erzählen weiß, ist weit mehr, als die Geschichte einer Zelllinie. Es ist nicht mehr und nicht weniger als die exemplarische Aufarbeitung der Geschichte der durch Bildungsentzug unmündig gehaltenen Afroamerikaner der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Diese Leute lebten seinerzeit teilweise noch in der vergammelten Hütten ihrer als Sklaven gehaltenen Vorfahren. Sie wurden auch damals noch benutzt und missachtet. Die Narben aus dieser Zeit sitzen tief, auch und vor allem in der Familie von Henrietta Lacks.



Ein großartiges, interessantes und ergreifendes Buch, das zu lesen ich unbedingt empfehle. Lesen, und zwar unbedingt und sofort!



Ein besonderer Dank gilt meinem Schüler Julius, der mir dieses Buch empfohlen hat. Danke Julius. Selten hat mich eine Buchempfehlung so bewegt.